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Janina Poesch
Foto: Mario Hegewald, Berlin Herausgeberin und freie Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen Szenografie und (Marken-)Kommunikation im Raum – unter anderem von Plot, Museen, Brand New und Stor[i]es
1979 geboren 1998 Ausbildung zur Bauzeichnerin 2000–2006 Architekturstudium Universität Stuttgart 2003–2006 Praktikum/Freie Mitarbeit AIT 2006–2008 Volontariat AIT seit 2008
sowie des Brand Experience & Trade Fair Design Annual und des Szenografie-Kompendiums seit 2015 Lehrbeauftragte an diversen Hochschulen in den Bereichen Innenarchitektur/Szenografie,
Kommunikation im Raum und Brand Spaces 2020–2022 Co-Kuratorin bei Raumwelten – Plattform für Szenografie, Architektur und Medien 2023 ADC Future Female
Foto: Refik Anadol Studio, Los Angeles Foto: David Stjernholm / Copenhagen Contemporary, Kopenhagen
Mit KI lotet Anadol die Grenzen der Vorstellungskraft aus. • Anadol uses AI to explore the limits of imagination. Ikeda übersetzt Daten in raumgreifende Installationen. • Ikeda translates data into expansive installations.
Data in Motion als interaktiver Gesprächspartner und verrät mit jeder persönlich gestellten Frage
der Museumsgäste prompt mehr über seine Inspiration, seine Techniken und sei-
Immer größer und komplexer werdende Datenmengen führen jedoch auch zu einer nen Gemütszustand. Gespeist wurde die zugrundeliegende KI mit Daten aus circa
Informationsflut, die unser Gehirn gar nicht mehr verarbeiten kann. Um diese nüch- 900 historischen Briefen und Manuskripten, die nun ein individuelles und partizipa-
ternen Werte zu emotionalisieren, generieren immer mehr Kreativschaffende Kunst- tives Erlebnis zulassen. Aber nicht nur die Verarbeitung von Aktion und Reaktion in
werke, die diese Daten im Raum sichtbar machen: immersive Datenskulpturen, Echtzeit, sondern auch die Übersetzung von Daten in jegliche Sinneswahrnehmun-
deren ästhetische Muster auf faszinierende Weise zum Leben erwachen und zum gen hebt die Interaktion auf eine neue Ebene: Gehirnströme werden zu Text, Text zu
körperlich-räumlichen Erlebnis werden. Als Seismografen nehmen jene KünstlerIn- Bildern, Bilder zu Klängen und Klang zu haptischen Elementen und so weiter. Durch
nen wie etwa Refik Anadol, Ryoji Ikeda, Hito Steyerl oder das Kollektiv Ouchhh die Kommunikation von Mensch und Maschine lassen sich so neue synästhetische
damit spannende Entwicklungen vorweg, die unsere Raumgestaltung in Zukunft Räume generieren, die zu einem inklusiveren Erlebnis werden, da Menschen mit
wesentlich beeinflussen werden. Denn durch die Visualisierung von Daten können Beeinträchtigungen viel besser in Vermittlungskonzepte integriert werden können.
Inhalte instinktiv vermittelt und in Kombination mit neuen technologischen Möglich- Der kanadische Künstler Rafael Lozano-Hemmer nutzt in der immersiven Ausstellung
keiten – wie eben immer besser lernenden intelligenten Systemen – Geschichten im „Atmospheric Memory“ zum Beispiel künstliche Intelligenz, um Sprache erlebbar zu
Raum neu erzählt werden. machen: sichtbar, hörbar und sogar fühlbar. So werden Klänge und Geräusche aus
3000 separaten Tonquellen in eine LED-Lichtinszenierung übersetzt, und sich bewe-
Data Driven gende Silhouetten steuern digitale Textfragmente durch Körperwärme. Besonders
spannend ist jedoch das „Cloud Display“: Gesprochene Worte werden hier mittels
Vor allem die künstliche Intelligenz als Technologie, die auf Daten basiert, verän- KI und 1600 Ultraschallzerstäubern in Textwolken aus Wasserdampf verwandelt.
dert aktuell in rasantem Tempo unsere Art der Kommunikation und Präsentation
und bringt daher einige spannende Möglichkeiten für die szenografische Vermittlung Data Visualization
mit sich. Denn als generatives Werkzeug beflügelt sie nicht nur unsere Kreativität,
sondern verändert eben auch das Erleben im Raum. So ermöglicht sie etwa neue Datenbeeinflusste Gestaltung ermöglicht auch eine neue, nahtlose Erweiterung der
Formen und Intensitäten des Storytellings und damit auch der Immersion: Es ent- Realität und die Grenzen, zwischen analogem und digitalem Raum sind im Ideal-
stehen Szenen, in die BesucherInnen vollständig eintauchen und auf neue Weise fall fließend: Menschen, Technologie und Umgebung interagieren in Echtzeit und
mit den Inhalten interagieren oder in einen direkten Dialog treten können – wie sprechen dabei alle Sinne an. Durch Datenbrillen oder Mixed-Reality-Anwendungen
derzeit die Integration von konversationsfähigen Chatbots in die Vermittlungsstra- lassen sich etwa digitale Inhalte (in Form von Hologrammen) jederzeit im Sichtfeld
tegie zeigt: Im Pariser Musée d’Orsay fungiert beispielsweise Vincent van Gogh der BesucherInnen einblenden oder das virtuelle Erlebnis auditiv beziehungsweise
AIT 1/2.2024 • 111