Page 50 - AIT1218_E-Paper
P. 50
SERIEN FRAU ARCHITEKT • MS. ARCHITECT
Foto: Deutsches Architekturmuseum Foto: Deutsches Architekturmuseum
Sportpark Köln-Hohenberg, 1. Preis und Ausführung 1985–1990 Tribüne und Detail der Stahlkonstruktion • Sportpark Hohenberg in Cologne, 1st prize and realization, 1985-1990, Spectator stand and detail of structural steel work
lenten Entwürfen in der Regel hinter den Chefs anonym blieb, als typisches Gefahr ausgesetzt, der Hinterlist des Wolfs zum Opfer zu fallen. Bei einem Vorberei -
Frauenschicksal. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte sie Kontakte zu nicht angestellten „freien“ tungstreffen, für das am 5./6. Oktober 1985 etwa 50 Architektinnen in Köln zusammen-
Berufsgenossinnen in den deutschsprachigen Ländern und fasste den Plan, kamen und eigene Projekte vorstellten, herrschte über die Frage nach einer spezifi-
Architektinnen als eigene Gruppe sichtbar zu machen. Im darauffolgenden Jahr entstand schen „Frauen-Architektur“ keine Einigkeit. Nicht wenige begriffen sich mehr als
ihr programmatisches Buch „Architektinnen. Ideen – Projekte – Bauten“, für das sie 84 Berufsleute denn als Vertreterinnen eines bestimmten Geschlechts. Während die einen
Architektinnen zur Teilnahme aufgefordert hatte; 62 folgten der Einladung und stellten die Frauen im Besitz einer ausgeprägten Entwurfssensibilität sahen, beharrten andere
sich mit knappem Text und Abbildungen ihrer Werke selbst vor. Dietrichs Einführungstext darauf, dass auch Männer dazu fähig seien. Umstritten blieb die Bebauptung der „bes-
ist aufschlussreich, weil er ihr Motiv und einige Quellen ihres Denkens offenbart. seren“ femininen Architektur, die Dietrich mit dem Argument, dass wegen der ihnen
in den Weg gelegten Hindernisse die Frauen den härteren Job machten, im Buch
Die Frau in der Architektur ist nur als Zaungast anwesend gleichwohl bejahte. Es gab Architektinnen, die eine Teilnahme am Buch ganz ablehn-
ten, weil sie mit Dietrichs Feminismus nichts zu tun haben wollten oder verlauten lie-
Einen starken Eindruck auf Dietrich hatte „Das andere Geschlecht“ von Simone de ßen, dass sie sich nicht benachteiligt fühlten. Andere Absagen kamen von Frauen, die
Beauvoir (1948) hinterlassen, indirekt auch die Philosophie des Existenzialismus von Jean- zusammen mit ihren Ehemännern ein Architekturbüro betrieben und es trotz
Paul Sartre, aus der de Beauvoir das Begriffspaar Transzendenz und Immanenz übernom- Einladung ablehnten, unter dem Etikett „Frauen“ ohne den Partner selbstständig auf-
men hatte. Im steinzeitlichen Matriarchat sei die Frau ganz selbstverständlich auch Bau - zutreten. Mit ihnen ging Verena Dietrich hart ins Gericht: Sie hätten sich von ihren
meisterin gewesen, wie zuletzt noch bei den nordamerikanischen Indianern. Erst später Männern entmündigen lassen und seien zu Komplizen des Patriarchats geworden.
habe das männliche Prinzip triumphiert, der Geist über das Leben, die Technik über die Ihnen schleuderte sie Zitate von Cheryl Benard und Edith Schlaffer entgegen: „Frauen
Magie, das kriegerische über das gebärende Geschlecht. Die Transzendenz fessele den werden unterdrückt. Und Frauen lassen sich unterdrücken. Und Frauen beteiligen sich
Mann an den Beruf, den er als Revier vor der Frau verteidigt. Seitdem sei die Frau in der an der Unterdrückung anderer Frauen.“ Dietrichs Architektinnen war nicht die erste
Architektur wie sonst auch auf die Immanenz eingegrenzt und nur als Objekt, Zaungast Aktion, die den Blick auf die Frauen im Architektenberuf richtete. Schon 1984 hatte in
und Fußnote anwesend. Ihr Selbstverständnis als Pionierfrau konfrontierte Dietrich mit Berlin anlässlich des Kongresses der UIFA (Union internationale des femmes architec-
der archetypischen Figur des braven Mädchens aus den Grimm'schen Märchen; nicht tes) eine Ausstellung stattgefunden. Um Dietrichs Initiative gerecht zu beurteilen, darf
als Rotkäppchen sei sie unterwegs, sondern als unerschrockene „Solistin“ auf einem man nicht vergessen, dass vor dem Zeitalter des Internets Bücher das beherrschende
mühsamen Weg, um in der Architektur durch den fälligen Paradigmenwechsel das Medium gewesen sind. Ihr Buch war eine Pioniertat, weil es die damals aktiven
Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern herbeizuführen; jedoch noch stets der Architektinnen erstmals als eine aus Individuen bestehende Gruppe in die
050 • AIT 12.2018