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Architects on Architects Hermann Funke: Architekturkritiken 1962–2003
Ein heißer Tipp für lange Abende im Spätherbst ist die Lektüre dieses neuen Titels: Anläs- Eine gute Architekturkritik ist eine hohe Kunst, die Hermann Funke (*1931) beherrscht.
slich der 150-Jahr-Feier der Technischen Universität München im Sommer 2018 referier- Er wusste: „Einfluß auf die Architektur hat die Architekturkritik genauso wie die Musik-
ten bedeutende ArchitektInnen von heute über Baukünstler vorangegangener Genera- kritik auf Musik und der Leitartikel auf die Politik, nämlich gar keinen.“ Dennoch war
tionen. Im Rahmen der Vortragsreihe „Architects Funke einer der ersten Architekturkritiker,
on Architects“ sprachen unter anderem Arno die das Genre in den 1960er-Jahren in die
Lederer über Sigurd Lewerentz, Hans Kollhoff Kulturressorts der deutschen Zeitungen
über Oswald Mathias Ungers, Mario Botta über brachte. Viele Jahre arbeitete er für die ZEIT
Louis I. Kahn, Christian Kerez über Francesco und den Spiegel, schrieb unverblümt und
Borromini und Donatella Fioretti über Walter mit viel Wortwitz über Architektur und Städ-
Gropius. Diese spannenden Beiträge und privaten tebau in der jungen Bundesrepublik – und
Gespräche zwischen den Vortragenden und nam- erstellte damit auch ein Zeitbild. Mit seinem
haften ArchitekturtheoretikerInnen wie Stephan kritischen Blick nahm er Bezug auf gesell-
Trüby und Jasper Cepl sowie KünstlerInnen wie schaftliche Diskurse – darunter Themen,
Monika Sosnowska sind nun in Form eines Lese- die heute wieder brennend sind, wie der
buchs erschienen. Damit ist der umfassende und Bau von Sozialwohnungen und das Fehlen
sehr persönliche Einblick wieder erlebbar, den die von Stadtentwicklungsflächen. „Dort leben
Vortragenden in ihr eigenes Werk, aber auch in Menschen, die trotz täglicher intensiver
das jeweilige Schaffen und die Zeit älterer Genera- Arbeitsleistung den Lebensstil, den unsere
tionen gegeben haben. Die Dialoge spannen teil- Gesellschaft von ihnen fordert, nicht mehr
weise weite Bögen, beziehen auch das Werk anderer ArchitektInnen ein, sind mitunter aus eigenen Mitteln bezahlen können“, sschrieb Funke über das Märkische Viertel in
unterhaltsam – und immer lehrreich. Im Zentrum der Betrachtungen steht die Frage, wie Berlin, das ab 1963 mit 17.000 Wohnungen errichtet wurde. Das klingt angesichts des
bewährte Konzepte und Ideen noch in die Gegenwart überführt werden können. Durch Wohnraummangels in den Großstädten heute wieder hochaktuell. Wer stichhaltige
Bilder, Skizzen und wichtige Lebensdaten ergänzt, ist dies eine geballte Sammlung für Argumente für unsere jetzigen Debatten sucht, sollte Funke in den Blick nehmen! Ein
alle, die sich für Architektur, deren Theorie und Geschichte interessieren. kk neuer Band versammelt nun seine Architekturkritiken aus der Zeit von 1962 bis 2003. kk
Architects on Architects Herausgegeben von Dietrich Fink, Uta Graff, Nils Rostek und Julian Wagner. Erschienen 2023 im Verlag Architekturkritiken 1962–2003. Hermann Funke Herausgegeben von Daniel Funke. Erschienen 2022 im Verlag adocs,
Hirmer, München. Deutsch. 160 Seiten. Softcover. Format 15 × 24 cm. 38,00 EUR. ISBN 978-3-7774-3309-7 Hamburg. Deutsch. 354 Seiten. Softcover. Format 15 × 21 cm. 26,00 EUR. ISBN 978-3-943253-57-3
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