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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
M.A.D. COLLECTIF STUDIO
IN MONTREAL
Entwurf • Design Ivy Studio, CA-Montreal
Beim Betreten der neuen Agenturräume von M.A.D. Collectif Studio
wähnt man sich in einer coolen Bar! Durchaus beabsichtigt: Mehr
kreatives Miteinander, mehr flexibler Raum für den Austausch von
Ideen sollte nach dem Umbau entstehen. Umgesetzt hat Ivy Studio
dies mit viel Raffinesse in einem schlauchartigen, schlecht belichteten
Grundriss – entstanden sind helle Räume mit Gastgeberqualitäten.
von • by Petra Stephan
S eit über 20 Jahren organisiert M.A.D. Collectif (Mode, Arts et Divertissements), ein in
Montréal ansässiges Kreativstudio, weltweit Veranstaltungen rund um Mode, Kunst
und Design. Verbunden mit einem kompletten Re-Branding im vergangenen Jahr sollte
sich sowohl der Standort als auch die neue Arbeitsumgebung verändern. In einem beleb-
ten Altstadtviertel Montreals fanden die Bauherren schließlich einen 360 Quadratmeter
großen schlauchartigen Raum im Erdgeschoss eines zweistöckigen Gebäudes, das 1939
erbaut, in den letzten Jahrzehnten als Druckerei gedient hatte. Dementsprechend wenig
Belichtungsfläche war vorhanden, lediglich die schmale Straßenfassade ließ Tageslicht
hinein. Der Kunstgriff des Teams von Ivy Studio, den Raum dennoch nutzbar und attrak-
tiv zu machen, besteht in der Dreiteilung des langgestreckten Rechteckgrundrisses. Das
vordere, natürlich belichtete Drittel nimmt nun das Café mit einer imposanten, sechs
Meter langen, monolithischen Marmortheke ein. Tagsüber dient sie als Küche für die Mit-
arbeiterInnen, abends als Bar bei Veranstaltungen, ergänzt durch eine umlaufende Bank.
Der eingeschobene, jetzt verspiegelte Treppenhausblock schirmt eine offene Lounge für
Fotoshootings und Videopräsentationen ab. Der gesamte Bereich liegt tiefer als der Rest
des Raumes und ist auf 1,20 Meter Höhe weiß gefliest. Die restliche Wandfläche besteht
aus hinterleuchteten Polycarbonatplatten, die die Raumabfolge in weiches Licht tauchen.
Das zweite Raumsegment ist – erschlossen über eine schmale, fünf Meter lange Rampe
– dem konzentrierten Arbeiten vorbehalten. Geschlossene Büros, Besprechungsräume
sowie sanitäre Anlangen befinden sich im hinteren Raumteil, akustisch abgetrennt durch
mit rosa Glasfaser gedämmte Polycarbonat-Ständerwände. Wände, Decken und Verroh-
rungen wurden lediglich weiß gestrichen, Metalltüren und -rahmen blieben unlackiert –
das Unfertige, Unvollkommene und Rohe steht im spannungsvollen Gegensatz zum Wei-
chen und Plüschigen der flieder- und orangefarbenen Möbel. Linear angeordnete, flexible
Leuchten erzeugen unterschiedliche Lichtstimmungen und setzen eine unkonventionelle
Ästhetik als Bühne und Leinwand für die neue Identität der Marke ins richtige Licht.
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