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Entwurf • Design JDWA Johan De Wachter Architecten, NL-Rotterdam
             Bauherr • Client Upfield, NL-Rotterdam
             Standort • Location Nassaukade 3, NL-Rotterdam
             Nutzfläche • Floor space 2.500 m 2
             Fotos • Photos Sonia Mangiapane, NL-Amsterdam
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             Das große Dach wurde ausgebaut, und eine neue Treppe überbrückt die unterschiedliche Geschossigkeit von Fabrik und Villa. • The large roof was developed, and new stairs bridge the different levels of factory and villa.



             von • by Johan De Wachter
             D   ie Anfänge der Lebensmittelfabrik am Südufer der Maas in Rotterdam gehen auf  einer Leerstelle, am Übergang zwischen beiden Gebäuden realisiert. Eine skulptural aus-
                 das Jahr 1891 zurück. Seitdem ist die Fabrik kontinuierlich gewachsen, um mit den
                                                                           formulierte Holztreppe verbindet nun hier die verschiedenen Ebenen beider Häuser. Die
             sich stetig wandelnden Produktionsprozessen Schritt zu halten. Über die Zeit ist so ein  die beiden Gebäude trennende Backsteinwand wurde gesäubert und große Öffnungen
             vielschichtiges und markantes Ensemble entstanden. Im Jahr 2017 spaltete der Lebens-  eingebracht, um die Geschossebenen der Villa zu erschließen. Außerdem wurden im Zu-
             mittelkonzern Unilever als Eigentümer die Abteilung für Margarine und Brotaufstriche ab,  sammenhang mit dem neuen Atrium Gemein schafts einrichtungen und ein großer Ver-
             die heute als unabhängiges Unternehmen mit dem Namen Upfield weitergeführt wird.  sammlungsraum konzipiert. Die größte zusammenhängende Bürofläche entstand auf
             Die Fabrikgebäude mussten in diesem Zuge neu organisiert und aufgeteilt werden. Unser  der obersten Ebene des Fabrikbaus, die von zwei mächtigen Satteldächern überspannt
             Architekturbüro erarbeitete verschiedene Eingriffe zur Reorganisation des Standorts. Ziel  wird. Eine Mittelzone nimmt Meetingräume und -inseln, Telefonboxen, Küchen und an-
             war es, die Raumnutzung zu optimieren und damit Platz für neue Büros und Forschungs-  dere gemeinsam genutzte Einrichtungen auf.
             einrichtungen zu schaffen. Dabei sollte das historische Erscheinungsbild erhalten blei-
             ben. Das Erdgeschoss der Fabrik dient nun weiterhin den Bereichen Produktion, Logistik  ... ohne den historischen Charakter des Hauses zu beeinträchtigen
             und Lagerung. Die kaum genutzten oberen Stockwerke des ursprünglichen Fabrikbaus
             (1891) sowie der daran direkt angebauten Fabrikantenvilla (1915) boten wiederum die  Um Tageslicht einzubringen, wurde ein Teil der Dachflächen durch große Glasfenster er-
             Möglichkeit zur Unterbringung der gewünschten neuen Büro- und Laborflächen.  setzt. Sie bieten den Angestellten zugleich eine spektakuläre Aussicht über die Maas.
                                                                           Das hintere Dach auf der gegenüber dem Fluss abgewandten Gebäudeseite wurde wie-
             Entstanden ist eine zeitgemäße Arbeitsumgebung, ...           derum durch zwei große Gauben geöffnet. Auch über der Mittelzone entstanden neue
                                                                           Oberlichter. Alle Einbauten sind multifunktional: Sie nehmen Telefonkabinen, Spinde,
             Die ungenutzten Bereiche in den historischen Gebäuden haben wir miteinander verbun-  Kopierräume, Produktauslagen und technische Installationen auf. Sie wurden robust aus
              den und in komfortable und hochwertige Büros verwandelt. Alle Interventionen zeigen  Seekieferplatten gefertigt und halten damit das Neue bewusst auf Abstand zum Bestand.
              dabei den besonderen Ehrgeiz des „neuen“ Unternehmens, anders zu sein und zu ar-  Das verwendete Holz und die zahlreichen Pflanzen im Raum repräsentieren die ökolo-
              beiten als bisher. Einzelbüros wurden auf ein Minimum reduziert und alle Ebenen mit-  gische und auf natürlichen Produkten basierende Arbeitsweise von Upfield. Nachhaltig-
              einander verbunden, um ein neues Gemeinschaftsgefühl zu etablieren. Das Interieur ent-  keit war in der Umsetzung insgesamt ein großes Thema! Durch Recycling, Funktionsver-
             stand in enger Abstimmung mit den CI- und Branding-Verantwortlichen von Upfield. Das  lagerungen und einfache Transformationen konnte das Bestandsgebäude nahezu im vor-
              gemeinsame Ziel war es, einen kreativen und dynamischen Arbeitsraum zu schaffen und  gefundenen Zustand erhalten werden. Die Zusammenlegung von Büros schafft zugleich
              die bisher geltenden Standards durch eine Mischung aus formellen und informellen Be-  Flexibilität und beansprucht weniger Raum. Die bestehende Gebäudehülle wurde voll-
              sprechungsräumen zu ersetzen und so für ein agiles Arbeiten zu sorgen. Aufgrund des  ständig isoliert und neue Fenster eingebracht. Neben der energetischen Aufwertung der
              Produktportfolios von Upfield waren auch großzügige Küchen und Verkostungstheken  Fassade wurde auch eine neue nachhaltige Gebäudetechnik installiert. So wird die über-
             Teil des neuen Raumprogramms. Diese sind nahtlos in die Arbeitsumgebung integriert.  schüssige Wärme aus den Produktionsprozessen der im Erdgeschoss liegenden Fabrik
             Um die gewünschte Dynamik noch zu steigern, wurde teilweise auch auf die üblichen  zukünftig zur Beheizung der Büroräume verwendet. Zusammen mit dem gesteigerten Ta-
             abgeschlossenen Besprechungsräume verzichtet und stattdessen entsprechende Mee-  geslicht-Eintrag wird so eine qualitative Arbeitsumgebung mit niedrigem Energiebedarf
             tinginseln als eingestellte Möbelstücke realisiert. Sie verteilen sich über die offene Raum-  geschaffen. Die verschiedenen Eingriffe in den Bestand, die intensive Renovierung der
             struktur und gliedern diese in Zonen unterschiedlicher Größe und Funktion. Die Verbin-  Gebäudehülle und die neuen Eingriffe in die Innenräume sichern den Fortbestand des
             dung zwischen den verschiedenen Geschossebenen der früheren Fabrikantenvilla und  Gebäudes und verlängern seine Lebensdauer nachhaltig. Entstanden ist eine zeitgemäße
             des angrenzenden Fabrikbaus wurde wiederum durch die Einbringung eines „Voids“,  Arbeitsumgebung – ohne den historischen Charakter des Hauses zu beeinträchtigen.

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