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Der Turm von Eernegem
von • by Max Otto Zitzelsberger
www.maxottozitzelsberger.de
Der Turm von Eernegem ist ein nicht reali sierter Entwurf des
Münch ner Architekten Max Otto Zitzelsberger und seiner Genter
Kollegen Jantje Engels und Marius Groot veld von Veldwerk Archi-
tecten. Sie wollten dem als Ausflugsziel beliebten Pumpenturm in
der belgischen Kleinstadt eine neue Krone verleihen. Auf dieser
sowie den Doppelseiten 032/033 und 064/065 stellen wir die
wunderbaren Ent wurfszeichnungen vor. Außerdem haben uns die
drei Architekten die folgende Geschichte zugesandt.
I n einem flachen Land nahe der Küste liegt die Stadt Eernegem. Ihre Bewohner
leben in einfachen Häusern. Es gibt viele Felder, ein paar Straßen und Wege. Sie
sind gesäumt von Bäumen. Inmitten dieser Landschaft, am Ufer eines Sees, steht ein
alter Turm. Früher diente er den Menschen, um Wasser aus dem See zu einem Bahn-
hof zu pumpen. Die Menschen in diesem Land lieben es, Fahrrad zu fahren. An den
Wochenenden steigen sie auf ihren Drahtesel und erkunden ihr Land. Am liebs ten
fahren sie zu dem alten Turm. Dort haben sie einen wunderbaren Ausblick auf ihr
schönes, flaches Land. Ihnen zu Füßen liegt die schöne Allee, die sie ge-rade mit dem
Fahrrad entlanggeradelt sind, um schließlich den Turm zu besteigen. Der Turm steht
frei inmitten der Landschaft, gesäumt von alten Bäumen, gemauert aus roten Ziegeln.
Ein metallischer Aufsatz krönt das Bauwerk! Er schimmert silbern im Licht. Die Krone
erscheint aus manchem Blickwinkel massiv und aus anderen Blickwinkeln leicht wie
Papier. Große Fenster sind schon von Weitem zu sehen. Sie versprechen einen wun-
derbaren Ausblick. Man möchte schnell nach oben steigen, um den Blick in die Ferne
endlich zu genießen. Man sieht sogar Ostende und dahinter das weite Meer. Manch-
mal hat man gar den Eindruck, der Turm mit seiner silbernen Krone stehe dort schon
seit langer Zeit. Beim Erklimmen des Turms passiert man große und kleine Fenster.
Man erkennt schnell, dass sich hinter jeder Öffnung eine Besonderheit verbirgt. Ein-
mal liegt der idyllische See im Blickfeld des Betrachters, ein anders Mal ist es die Flur
mit grünen Feldern und braunen Äckern. Dazwischen sieht man ganz deutlich
schmale und breite Wege aus grauem Teer und gelbem Sand. Einige Häuser stehen
am Wegesrand, und ganz am Horizont – die Nordsee.
Am Horizont liegt die See
In den Mauern des Turms steckt eine leichte Treppe aus Metall. Um eine runde Säule
wendeln sich gefaltete Stufen, die an den Fenstern breit werden. So kann man dort
auch kurz innehalten, um den Ausblick zu genießen. Ein zierliches Geländer sorgt für
die nötige Sicherheit und hilft so manchem beim Er klimmen des hohen Bauwerks. Je
weiter man nach oben steigt, umso leichter wird der Turm. Der neue metallische Auf-
bau, ist aus Wandscheiben zusammengesetzt. Sie stehen so zueinander, dass man
manchmal den Eindruck hat, in einem Innenraum zu sein und nach draußen zu blicken
und umgekehrt. Die gesamte Fläche der Plattform steht dem Besucher zur Verfügung.
Er kann sich frei zwischen den Wänden bewegen, die leicht wie Vorhänge den Raum
gliedern und immer neue, überraschende Aus blicke zulassen. Die konstruktive Idee der
Aufstockung ist einfach. Leichtes, dünnes Metall, stabil gebaut, steht räumlich bedacht
auf den schweren Mauern. Liegende Hohlprofile aus Metall und zwei Reihen stehender
Säulen in Form einfacher Rundrohre des gleichen Materials, miteinander verschweißt,
bilden das Skelett der Krone. Einfache Platten, ebenfalls aus Metall, steifen die Kon-
struktion aus. So erscheint jede Wandfläche von der äußeren Seite glatt und von der
inneren Seite strukturiert. Von der metallischen Krone des Turmes aus ist der Blick frei
auf die ganze Landschaft, auf ihre unendliche Weite. Man sieht noch einmal hinweg
über die Einzelteile dieser Spielwiese, dieser kindlichen Traumwelt. Und dann hält man
inne. Am Horizont liegt die See; ein Anblick, den man nie mehr vergisst.
M. O. Zitzelsberger, Jantje Engels, Marius Grootveld