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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND  PRESENTATION


































               IMMI-STORE

               IN SHANGHAI


               Entwurf • Design Studio Unravel, KR-Seoul



               Die Unverwechselbarkeit einer Marke und das Herzblut seiner gei-
               stigen Schöpfer in einen physischen Raum zu übertragen birgt für
               jeden Gestalter eine enorme kreative Herausforderung. Diese
               nahm das in Seoul ansässige Büro Unravel an und entwarf den er-
               sten Flagship-Store der chinesischen Marke IMMI in Shanghai –
               dem Ort, an dem das Modelabel 2015 das Licht der Welt erblickte.



               von • by Sabine Marinescu
               D   ie Geburt als Ausgangspunkt einer Inszenierung der qualitativ hochwertigen Beklei-
                   dungsmarke IMMI ist jedoch nicht nur metaphorisch zu sehen: Sie ist wesentlicher
               Teil des Entwurfskonzepts der koreanischen Raumgestalter und zeigt sich als Abstraktion
               in der Ausführung des minimalistischen Shops. So wie die Kleidungsstücke des Labels
               präsentiert sich auch der 160 Quadratmeter große Verkaufsraum mit raffinierten Details,
               einer sichtbaren Liebe zum Handwerk, einer unkonventionellen Perspektive und einer
               gleichermaßen expressiven wie reduzierten Farbpalette. Eine sehr klare, geometrische
               Formensprache im gesamten Verkaufsraum, Kleiderständer und Einbauten aus transpa-
               rentem Plexiglas und Edelstahl sowie geradlinige Lichtbänder bilden die Basis der Innen-
               raumgestaltung. Visuelles und räumliches Herzstück ist jedoch der kirschrote, üppig glän-
               zende Bereich, der aus dem sonst nahezu reinweißen Innenraum hervorsticht und der
               aufgrund seiner Lage und Farbigkeit den Schoß der Marke – die Gebärmutter – darstellt.
               Diese steht dabei als sichtbares Symbol für die lange Inkubationszeit der Marke, die von
               den Designerinnen Joyce und Xiaomin mit viel Hingabe am kreativen Prozess erschaffen
               wurde. Aus diesem symbolträchtigen Kern, aus dem die Marke erwächst, rollen metal-
               lene Wagen in die umliegende – sehr helle – Welt. Die in den Boden eingelassenen Schie-
               nen, die den gesamten Shop durchziehen, haben hierbei sowohl praktische als auch kon-
               zeptionelle Eigenschaften. Mit Vitrinen, Regalen, Haken oder Kleiderständern ausgestat-
               tet, werden die Rollwagen zu beweglichen Displays, die unendliche Konfigurationen und
               Merchandising-Möglichkeiten zulassen. Doch sind sie eben nicht nur Auslage und Trans-
               portmittel, sondern bergen eine scheinbar wahllose Sammlung metallischer oder aus
               Plexiglas bestehender Objekte, die „stumpf und unregelmäßig, sogar hässlich“ erschei-
               nen. Vom Gestalter-Team bewusst eingesetzt, sollen sie mit der konventionellen erwart-
               baren Ästhetik brechen und die vorgefassten Vorstellungen der Konsumenten über
               Schönheit neu kalibrieren. Ob die Kunden die Assoziationen auf Anhieb verstehen, bleibt
               abzuwarten, doch eine Irritation ob der ungewöhnlichen Inszenierung ist sicher!


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