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VERKAUF UND PRÄSENTATION  •  RETAIL AND PRESENTATION


































               JHW-STORE

               IN ZHENGZHOU


               Entwurf • Design Atelier Tao+C, CN-Shanghai



               Grau in grau steht beim Conceptstore JHW im zentralchinesischen
               Zengzhou nicht für trostlosen Einheitsbrei. Ganz im Gegenteil: Das
               monochrome Erscheinungsbild des Ladengeschäfts transportiert
               weithin sichtbar Understatement und bietet dank ausgewählter Ma-
               terialien eine zurückhaltende und dennoch präsente Bühne für die
               dort gezeigte Streetwear-Mode chinesischer Nachwuchsdesigner.



               von • by Sabine Marinescu
               I n einem unscheinbaren Einkaufszentrum im Stadtzentrum Zhengzhous haben die Ar-
                 chitekten Chunyan Cai und Liu Tao des Shanghaier Ateliers Tao+C auf 405 Quadratme-
               tern einen Store geschaffen, dem trotz – oder gerade wegen – seiner einheitlichen Farb-
               wahl besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Zwei scheinbar vollkommen unterschiedli-
               che Materialien – gewaschener granulitischer Putz und gebürsteter Edelstahl, der eine rau
               und stumpf, der andere steril und reflektierend – dominieren die neu eröffnete Boutique
               im Herzen der Provinzhauptstadt Henans. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass
               die spannungsvolle Verbindung zwischen den beiden ebenso harmonisch ist. Der hierbei
               verwendete, sogenannte Shanghai-Putz wurde in den 1920er-Jahren vielfach und virtuos
               für dekorative Elemente an den Fassaden der Art-déco-Häuser Shanghais eingesetzt und
               erlebt an diesem Ort ein ungewöhnliches Comeback, in dem es die meisten Flächen des
               Innenraums bildet. Ein straßenseitiger gläserner Schaukasten schiebt sich ins Innere, bil-
               det den Eingangsbereich und damit die Verbindung nach außen. Das eigentliche, zwei-
               geschossige Ladengeschäft jedoch wurde wie eine Schale ins bestehende Gebäude ge-
               setzt, damit es sich von der umgebenden Architektur abgrenzt. Licht kommt dennoch hin-
               ein: Öffnungen in den mit Putz verkleideten Wänden wurden mit perforierten Edelstahl-
               blechen versehen, sodass Tageslicht hindurchscheint und punktförmige Lichter auf die
               Oberflächen wirft. Von den Architekten eigens entworfene Vitrinen und Kleiderstangen
               aus Edelstahl komplettieren die Einrichtung der beiden Geschosse und bieten den Prä-
               sentationsraum für die – mitunter auch farbigen – Kleidungsstücke. Um Kundengespräche
               und Veranstaltungen abseits vom Verkaufsmodus zu gestalten, wurde der Boden vor dem
               Servicebereich im Erdgeschoss zu einem bühnenähnlichen Bereich vertieft. Direkt dahin-
               ter führt eine Treppe durch die teilweise freigelegte Decke, vorbei an der erhaltenen
               kreuzförmigen Konstruktion aus Stahlbeton. Im oberen Geschoss wird der Glaskasten als
               Element erneut aufgenommen, lässt Kunden über die Öffnung der Decke schweben und
               verbindet damit visuell wie gestalterisch die beiden übereinanderliegenden Flächen.


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