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Rechtliche Erstauswertung
                                                                                                             des EuGH-Urteils der Bundes-
                                                                                                             architektenkammer

                           Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat  sicherheiten der Auslegung der Entscheidung  Die Existenz von Mindestsätzen
                           (nur) Folgendes entschieden: „Die Bundesre-  des Europäischen Gerichtshofs zu entgehen,  könne, so der EuGH, dazu bei-
                           publik Deutschland hat dadurch gegen ihre  dass man schriftliche Vereinbarungen von An-  tragen, dass eine hohe Quali-
                           Verpflichtungen aus der EG-Dienstleistungs-  fang an trifft. Wenn es hier zu Beginn nicht  tät der Planungsleistungen
                           richtlinie (2006/123) verstoßen, indem sie ver-  möglich ist, einen vollständigen Innenarchitek-  gewährleistet ist. Mindestsätze
                           bindliche Mindest- und Höchstsätze für die  tenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 8 des  stellten damit eine legitime
                           Honorare für die Planungsleistungen von Ar-  § 34 HOAI abzuschließen, besteht auch die  Umsetzung der verfolgten Ziele
                           chitekten und Ingenieuren beibehalten hat.“   Möglichkeit, dass man für die Projektentwick-  dar. Doch hält es der EuGH für
                                                                  lung, die Planungsgrundlage mit Kostenein-  widersprüchlich, wenn  einer-
                           Dabei hat der Europäische Gerichtshof hervor-  schätzung, die Grundlagenermittlung und  seits vonseiten der Bundesre-
                           gehoben, dass die Existenz von Mindestsätzen  damit zusammenhängende besondere Leis-  publik zur Rechtfertigung der
                           für die Planungsleistungen im Hinblick auf die  tungen einen sog. Projektfindungsvertrag ab-  Mindest-und Höchstpreise er-
                           Beschaffenheit des deutschen Marktes grund-  schließt  oder  Verträge  über  einzelne  klärt  werde, dass diese der
                  Titelbild: Wissenschaftspark Gelsenkirchen, raum.atelier Goldemann-Sabbak und Hasiewicz Innenarchitekten PartGmbB, Fotograf: Nick Wolff; Portrait © bdia
                           sätzlich dazu beitragen kann, eine hohe Qua-  Lei s  tungsphasen, möglicherweise auch  Stu-  Qualitätssicherung  dienen
                           lität der Planungsleistungen zu gewährleisten. 1  fenverträge, mit dem Bauherrn vereinbart.   würden, andererseits aber
                                                                                                             grundsätzlich Planungsleistun-
                           Das letztendlich der EuGH die Mindestsätze zu  Ein vertiefendes Seminar zu diesen Lösungen  gen von jedem Dienstleister er-
                           Fall gebracht hat, beruht darauf, dass in  und zum Innenarchitektenvertrag findet am   bracht werden könnten.
                           Deutschland Planungsleistungen auch  von  11. Oktober 2019 in der Geschäftsstelle des bdia
                           Dienstleistern erbracht  werden können, die  in Berlin mit den Referenten Prof. Dr. Peter Fi-  Ein Nachweis der entsprechen-
                           nicht eine entsprechende fachliche Eignung  scher und Dipl.-Ing.  Andreas  T. C. Krüger  den fachlichen Eignung sei für
                           nachgewiesen haben. Letztendlich ist nur der  (bdia) statt.  Seminar:  Wie  weiter nach der  die Erbringung von Planungs-
                           verbindliche Preisrahmen des § 7 Abs. 1 HOAI  HOAI? Anmeldung über www.bdia.de.   leistungen nicht erforderlich.
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                           unanwendbar. Es gilt weiterhin der Grundsatz                                      Im Hinblick auf das mit den
                           nach § 7 Abs. 5 HOAI, dass die Mindestsätze  Autoren:                             Mindestsätzen verfolgte  Ziel,
                           der HOAI Anwendung finden, wenn nicht bei  Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Fischer, Fachan-  eine hohe Qualität der Pla-
                           Auftragserteilung eine schriftliche Vereinba-  walt für Bau- und Architektenrecht und Pro-  nungsleistungen zu erhalten,
                           rung über das Honorar getroffen worden ist.   fessor für Bau-,  Architekten- und In -  erkennt der EuGH deshalb eine
                                                                  ge nieur recht an der Jade Hochschule in Olden-  „Inkohärenz“ in der deutschen
                           Dies bedeutet für die InnenarchitektInnen,  burg, und Innenarchitekt Dipl.-Ing. Andreas T.  Regelung.
                           dass sie nunmehr unbedingt darauf achten  C. Krüger, von der Architektenkammer NRW
                           müssen, dass sie von Anbeginn an schriftliche  öffentlich bestellter und vereidigter Sachver-  Im Ergebnis beschäftigt sich
                           Verträge abschließen, in welchen – soweit dies  ständiger für Honorare für Leistungen der Ar-  der EuGH allein mit der Zuläs-
                           zu diesem Zeitpunkt bereits möglich ist – die zu  chitekten, Innenarchitekten, Landschafts -  sigkeit der Mindest- und
                           erbringenden Leistungen und zusätzliche Leis-  architekten und Ingenieure sowie Lehrbeauf-  Höchstsätze der HOAI. Das Ur-
                           tungen oder Änderungen sowie das dafür zu  tragter an der Fachhochschule Coburg.  teil bestätigt damit die Struk-
                           zahlende Honorar festgehalten sind. Schriftlich                                   tur und den Aufbau der HOAI.
                           i. S. d. § 126 BGB bedeutet, dass die Honorar-                                    Andere Regelungen  werden
                           vereinbarung bzw. der Vertrag von beiden Par-                                     nicht kritisiert oder für rechts-
                           teien handschriftlich im Original unterzeichnet                                   widrig erkannt. Die HOAI ist
                           sein muss. Übersendung in digitaler Form, z. B.                                   deshalb weiterhin vertraglich
                           per E-Mail mit eingescannten Unterschriften,                                      vereinbar und stellt auch mit
                           ersetzt die Schriftform nicht, sodass per E-Mail                                  ihren Mindest- und Höchstsät-
                           abgeschlossene Verträge keine wirksame Ho-                                        zen eine zulässige  Vertrags-
                           norarvereinbarung beinhalten mit der Folge,                                       grundlage dar.
                           dass nicht das vereinbarte Honorar, sondern
                           die Mindestsätze weiterhin gelten.                                                Die vollständige  Erstauswer-
                                                                                                             tung ist auf  www.bak.de
                           Da  Juristen bekanntlich nie einer Meinung                                        abrufbar.
                           sind, wird auch die Auffassung vertreten, dass
                           die sog. „Mindestsatzfiktion“ des § 7 Abs. 5
                           HOAI nicht mehr gilt. So ist bereits entschieden
                           worden, dass die sog. Mindestsatzfiktion des
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                           § 7 Abs. 5 HOAI gegenstandslos ist. Die Innen-  1  EuGH, Urt. vom 04.07.2019 – Rs C-337/17
                           architektInnen können weiterhin natürlich die  2  Fuchs, „EuGH beerdigt die HOAI“ aber nicht
                           entsprechenden Honorare nach der HOAI ver-  vollständig ..., IBR 2019, 436
                           einbaren. Wichtig ist jedoch, um hier den Un-  3  OLG Celle, Urt. vom 23.07.2019 – 14 U 182/18

                                                                                                                            AIT 9.2019  •  147
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