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Katharina Greve


                1972 geboren in Hamburg 1991–1999 Architekturstudium an der TU Berlin seitdem Cartoonistin, Comic-Zeichnerin, Autorin, Künstlerin, Papstrücktrittsprophetin,
                Situationsdesignerin und Ex-Architektin Auszeichnungen ICOM-Preis („Ein Mann geht an die Decke“), 1. Platz Deutscher Cartoonpreis für neue Talente (2010),
                Sondermann-Förderpreis (2013), Max und Moritz-Preis („Das Hochhaus“, 2016) Kontakt www.katharinagreve.de; ka.greve@freizeitdenker.de







                Ja, ich finde Architektur als Lebensraum wirklich spannend, aber das Leben darin
                interessiert mich definitiv mehr als das Bauwerk. Darum ist bei meinem Hochhaus-
                Web-Comic die Architektur auch extrem trist, langweilig und grau – dadurch funkelt
                die bunte Handlung im Inneren viel strahlender.

                r „Das Hochhaus“ wurde beim 17. Internationalen Comic-Salon Erlangen mit dem
                Max und Moritz-Preis für den besten deutschsprachigen Comic-Strip ausgezeich-
                net. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
                Es  war eine riesige Überraschung und ich habe mich  wirklich sehr, sehr gefreut!
                Manche handeln den Max und Moritz-Preis gerne als „deutschen Comic-Oscar“.


                r Sie sind selbstständig und arbeiten für Titanic, die taz, Das Magazin, Psycho-
                                                                                                                                          Zeichnungen: Katharina Greve
                logie heute compact und das Online-Portal electrocomics.com. Wie kann man
                sich diese Kooperationen vorstellen? Erhalten Sie von Verlagsseite ganz konkrete
                Anfragen zu einem Thema oder schlagen Sie selbst Themen vor?
                Das ist ganz unterschiedlich. Für Das Magazin zeichne ich die monatliche Serie „Die
                dicke Prinzessin Petronia“ und kann dabei machen, was ich will. Psychologie heute
                compact  gibt ein Oberthema vor und ich mache Vorschläge dazu. Zur Titanic schicke  Szene aus „Ein Mann geht an die Decke“ (ICOM-Preis) • Scene from “Ein Mann geht an die Decke” (ICOM Prize)
                ich meine schrägsten Ideen und die Redaktion sucht sich aus, was passt.
                                                                              Comic-Nährstoff: Normalsterbliche und das oberste Kirchenhaupt • Ordinary mortals and the Head of the Church
                r Wie gut lässt es sich von diesen Aufträgen leben?
                Designer-Hüte kann ich mir von meinen Honoraren nicht kaufen, aber das war auch
                nie mein Ziel. Ich mache parallel auch Auftragsarbeiten, zeichne Illustrationen für
                Bücher und Magazine. Gerade arbeite ich an einem Trickfilm-Projekt für die Stiftung
                Oper in Berlin. Außerdem trete ich auch mit Cartoon- und Comic-Lesungen auf. Dieses
                Lesen vor Publikum ist ein schönes Gegengewicht zur stillen Arbeit am Schreibtisch.

                r Seit 2009 haben Sie drei Comic-Romane und ein Cartoon-Buch veröffentlicht.
                Das wahre Leben scheint für Sie die beste Inspirationsquelle zu sein. Sind Sie eine
                Beobachterin, die ihre Ideen im Alltag der Mitmenschen findet?
                Das wahre Leben ist natürlich eine Quelle, aber ich habe auch große Innenwelten, in
                denen ich oft spazieren gehe. Bei meinen Comic-Romanen starte ich gern mit einer
                alltäglichen oder zumindest bekannten Situation, die dann ins Absurd-Fantastische
                wächst. In meinem ersten Buch „Ein Mann geht an die Decke“ entdeckt ein
                Fahrstuhlführer im Inneren des Berliner Fernsehturms zum Beispiel eine Gruppe von
                Menschen, die sich von der Schwerkraft emanzipiert haben und an Wand und Decke
                laufen. In meinem Comic-Roman „Hotel Hades“ sterben drei Personen gleichzeitig
                und kommen dann in ein Totenreich, das zu einer tristen Mega-City angewachsen ist.
                Bei diesem Buch hat mir mein Studium übrigens sehr geholfen: Für die Geschichte
                habe ich den Städtebau für das gesamte Jenseits entworfen. Diese 14 Semester waren
                also nicht komplett umsonst.

                r Wo zeichnen Sie am liebsten? Zu Hause, im Büro oder im Café?
                Ich zeichne zu Hause, Ideen gibt es aber überall. Und wenn mir mal nichts einfällt,
                lege ich mich auf meine Wunder-Couch und mache die Augen zu. Das hilft immer.

                r Was wäre ein Traumauftrag für Sie?
                Jemand zahlt mir auf Lebenszeit eine vernünftige monatliche Summe und ich mache,
                was mir einfällt: zeichnen, schreiben, Installationen bauen, mit dem Vakuumierer ein
                Nichts herstellen. Einmal im Jahr kommt dieser Herr oder diese Frau Jemand vorbei
                und schaut sich mit einer Tasse Tee in der Hand mein Werk an – fertig. Wenn das für
                einen Traum zu unrealistisch ist: Wie jede Cartoonistin und jeder Cartoonist würde
                auch ich mich freuen, wenn der New Yorker bei mir anrufen würde und jede Woche
                drei Cartoons haben wollte.


                                                                                                                             AIT 09.2016  •  053
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