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BDIA
Der BDIA fördert und festigt seit über 60 Jahren den Berufsstand der Innenarchitektinnen und
Innenarchitekten in Deutschland. Dabei setzt er sich als Berufsvertretung seiner Mitglieder für
deren Belange in der Öffentlichkeit und gegenüber Wirtschaft und Politik ein.
Smart Home als Teil des Internets Innenarchitektinnen und
der Dinge Innenarchitekten in einer Schlüsselrolle
In der Geschäftsstelle des BDIA steht ein großer Kopierer, Innenarchitekten gestalten Räume, die die Bedürfnisse
der selbstständig neue Tinte bestellt, wenn ihm diese des Menschen nach Geborgenheit, aber auch nach
ausgeht. Das ist eine leicht nachzuvollziehende Errungen- Unabhängigkeit unterstützen. Die Bedürfnisse sind höchst
schaft. Viele andere Möglichkeiten des Internets der unterschiedlich, – es geht dabei um Gestaltung, um das
Dinge (IoT) bleiben noch im Nebel. Die Fernsteuerung Wohlfühlen, letztlich um Personalisierung. Die Arbeits -
von Geräten – wie zum Beispiel einer Waschmaschine – mittel des Innenarchitekten sind heute Formen und Farben,
ist im Vergleich zum autonomen System, das das Möbel und Beleuchtung, die die optische und akustische
Raumklima optimal auf die Nutzer abstimmt und lernfä- Wahrnehmung sowie das Raumklima beeinflussen. Das
hig ist, noch einfach gelagert. Ergebnis ist in der Regel eine statische Lösung, die auf die
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Es ist sicher nur eingeschränkt möglich, sich im Detail aktuelle Situation abgestimmt ist. Räume geben aber
vorzustellen, wohin uns die Entwicklung führen kann. auch Prozessen wie Tagesabläufen eine Umgebung, die
Smart Home ist ein Begriff, der schon lange diskutiert Dinge speisen Informationen ins Internet über ihre Nut- sich teils mit hoher Dynamik ändern. Mit dem Smart
wird. Bereits zur Jahrtausendwende war das zung oder ihren Zustand. Es werden immer mehr solcher Home zieht ein neues Gestaltungselement, die Informa-
Fraunhofer-Institut mit seinem inHaus-Zentrum einer Informationen erzeugt und diese ungeheure Datenmen- tionstechnik mit all ihren Ausprägungen und Möglich-
der Vorreiter. ge ist immer leichter zu handhaben. Diese Informatio- keiten, in die Räume ein. Sie ermöglicht es, Funktion und
Und wie ist der gegenwärtige Stand der Dinge? Die nen können mit beliebig vielen anderen Informationen Wahrnehmung von Umgebungen mit einer neuen, in
Gebäudeautomation hält Einzug in die Wohnwelt. abgeglichen werden. Daten werden durch diese Entwick- Umfang und Auswirkung bisher nicht möglichen Dynamik
Die Vernetzung von Haustechnik und Geräten, das lung zum wichtigsten Rohstoff unserer Zeit, schreibt die anzupassen. So sind Assistenzfunktionen ein wichtiges
Sammeln von Daten über Nutzerverhalten, das Steu- Süddeutsche Zeitung. Diese Daten können gezielt vergli- zukünftiges Element von Smart-Home-Systemen. In wel-
ern von Aktionen im Haus auch aus dem Urlaub ist chen werden, weil davon auszugehen ist, dass ein Zusam- chem Umfang Assistenzsysteme in der Lage sind, Räume
über das Internet möglich. Energiemanagement und menhang besteht. Mindestens so interessant ist die und Prozesse zu verändern, lässt sich heute im Innenraum
Raumklimamessungen sind machbar, die Steuerung Suche nach Zusammenhängen, die noch nicht bekannt vieler Fahrzeuge nachvollziehen. Räume in Gebäuden ha-
des Raumklimas kann ohne menschlichen Eingriff sind. Hier spricht man vom sogenannten Data Mining. ben diesen Schritt der Digitalisierung heute noch vor sich.
erfolgen und die Vermeidung von Schimmelbildung Der größte volkswirtschaftliche Nutzen des IoT wird sich Beim Smart Home geht es um viel mehr als Hausauto-
in luftdichten Räumen kann so zum Beispiel redu- laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey matisierung. Wir befinden uns meines Erachtens bei der
ziert werden. Sicherheitstechnische Anwendungen im industriellen Bereich und in den Städten ergeben. Anwenderassistenz noch in einer experimentellen Phase.
von Einbruch- oder Brandmeldern in der Mietwoh- Leicht vorstellbar ist das im weltweiten Warenverkehr. In einer solchen ist natürlich nicht alles, was gemacht
nung sind bereits Standard. Wenn die Waren dem Logistiker allzeit verraten, wo sie wird, sinnvoll, aber wird heute bei der Gestaltung von
Auch unter dem Aspekt des demografischen Wandels sind, dann ist diese Information bares Geld wert. Der Räumen alles, was sinnvoll wäre, auch gemacht?
in unserer Gesellschaft werden Produkte entwickelt, Wert der Daten lässt sich auch noch an einer anderen Innenarchitekten kennen die Bedürfnisse der Nutzer von
die ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Entwicklung absehen. Unternehmen, die im weiteren Räumen sehr genau, sind in der Lage, deren Anforderun-
Wänden erleichtern. So sind Sensormelder in Boden- Sinne bislang „nur“ Daten verwaltet haben, steigen auf gen in eine Raumgestaltung zu übersetzen, von daher sind
belägen, die Stürze erkennen, oder kontrollierte Zu - einmal in die Produktion ein. Google baut Autos, SAP sie in einer Schlüsselposition, Anforderungen an Smart-
gangs möglichkeiten in die Wohnung beispielsweise kauft produzierende Unternehmen. Home Funktionen zu definieren und umzusetzen. Nach
praktische Anwendungen. Die Möglichkeiten eines Der Vorteil in den Städten, den sogenannten Smart meiner Wahrnehmung haben Innenarchitekten zum
„smarten Wohnens“ sind vielfältig. Dem entgegen Cities, wird unter anderem in einem vorausschauenden Smart Home aktuell noch ein indifferentes Verhältnis.
stehen jedoch noch die unzähligen und nur bedingt Verkehrsmanagement gesehen. Selbstfahrende Taxis fah- Handelt es sich um eine vorübergehende Modeerschei-
kompatiblen Basistechnologien der Vernetzung. Hier ren zum Fahrgast, der für sie am schnellsten zu erreichen nung oder um ein ernst zu nehmendes Phänomen? Ist es
sind nun vor allem Fachleute gefragt, die Bauherren ist – so in etwa könnte es sein. Einen kleinen Vorge- nicht nur eine weitere, teure und komplexe Komponente,
aufklären und beraten. In einer Umfrage der schmack vermittelt heute Google Maps, wenn es gewählte die das Budget für die Gestaltung schmälert? Oder ist das
Immobilien- und Wohnungswirtschaft heißt es, dass Fahrstrecken konstant mit den Smartphones anderer Smart Home ein zukünftig fester Bestandteil von Räumen
60 Prozent der Befragten diese Beratung von Nutzern abgleicht und Routen danach ausrichtet. und Gebäuden? Für Innenarchitekten erweitert das Smart
Architekten und Planern also auch von Innen archi- Diese Entwicklung berührt unser eigenes Leben, unser Home die Gestaltungsmöglichkeiten (nicht nur) für assi-
tekten erwarten. Eine Zukunftsaufgabe für unseren Wohnen und Arbeiten in sehr unterschiedlichem Maße. stierende Räume enorm. Sie müssen sich meines Erach-
Beruf? Machen Sie sich selbst ein Bild. Sicher wird man sich auf ihr Fortschreiten einstellen tens mit den Möglichkeiten und Grenzen von Smart Home-
Viel Spaß beim Lesen! müssen. Es lässt sich aber ohne Schwierigkeit erahnen, Systemen auseinandersetzen, Letztere werden sich in den
wie viel kreatives Potenzial in der Entwicklung und nächsten Jahren deutlich verschieben und durch ihre
Anwendung steckt. Das kommt einem kreativen Dynamik auch das Design von Räumen verändern.
Vera Schmitz, Präsidentin BDIA Berufsstand entgegen. Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, Inhaber der Professur für
Constantin von Mirbach, Geschäftsführer des BDIA Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School
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