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WOHNEN • LIVING THEORIE • THEORY
Foto: konrath und wennemar architekten ingenieure Foto: Manos Meisen Fotografie
In Düsseldorf haben Konrath und Wennemar den Campus der ehemaligen Thyssen-Konzernzentrale in das Wohnquartier ... • In Düsseldorf, Konrath and Wennemar converted the campus of Thyssen into the residential district ...
des nahen Flughafens hohen Schallschutz bieten müssen, ermöglichen Ausblicke in die
Ferne. Der quadratische Hausgrundriss ist für ein Wohnhaus ideal. „Hätten wir einen
Wohnturm neu geplant, würde er ähnlich aussehen“, so Stefan Forster. Entstanden sind
Wohnungen von 48 bis 160 Quadratmetern Größe mit flexiblen Grundrissen. Sie sind
um den Kern herum organisiert, in dem sich Treppenhaus und Fahrstuhlschacht befin-
den. Einer von ursprünglich zwei Aufzugsschächten konnte stillgelegt und für zusätz-
lichen Wohnraum und für die Sanitäranlagen und Infrastruktur genutzt werden. In den
vier Ecken wurden Loggien eingezogen, sodass die Bewohner im Unterschied zu den
vorherigen Büro nutzern nach außen treten können. Im Erdgeschoss ist mittlerweile eine
Zahnarztpraxis eingezogen, was zur Transformation der Bürostadt in ein gemischtes
Quartier beiträgt. Dem ersten gelungenen Umbau in Niederrad folgten weitere in der
Lyoner Straße und in der Umgebung. An einem laufenden und einem geplanten
Umbauprojekt ist das Büro von Stefan Forster ebenfalls beteiligt. Andere Projekte sind
bereits umgesetzt, überwiegend aber durch Abriss und Neubebauung. Die Stadt hat die
planungsrechtlichen Voraus setzungen dazu geschaffen und zwei Bebauungspläne Foto: Ute Kaiser Fotografie
erstellt, die aus dem früheren Gewerbegebiet ein Mischgebiet machen, in dem auch
gewohnt und gelebt werden kann. Passend dazu wurde die „Bürostadt Niederrad“ ver-
gangenes Jahr auch offiziell in „Lyoner Quartier“ umgetauft, um den Wandel zu unter- ... „Living Circle“ mit 340 Mietwohnungen verwandelt. • ... “Living Circle” with 340 apartments.
streichen. „Der Prozess läuft sehr erfolgreich und er ist noch nicht abgeschlossen“, sagt
Mark Gellert vom Frankfurter Planungsdezernat.
Konzernzentrale wurde also vollständig entkernt. „Wir haben die Tragstruktur erhalten
Leerstand erfolgreich behoben – auch in Düsseldorf und die Vertikal erschließung. Allerdings reichte die vorhandene Erschließung nicht für
die Wohnnutzung aus, sodass wir weitere Treppen kerne hinzufügen mussten“, so
Ähnlich wie in Frankfurt ist die Situation in Düsseldorf. Gut sieben Prozent der Büro - Wennemar. Die kreisförmigen Strukturen, die sich um kleine Höfe gruppieren, blieben
flächen stehen in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt leer und auch hier ist der erhalten. Die Höfe wurden durch den Abriss von Pavillonbauten in ihrer Wirkung ver-
Leerstand zuletzt gesunken auf eine halbe Million Quadratmeter. Teilweise liegt dies größert. So konnten halb öffentliche Grünanlagen und kleine Gärten angelegt werden.
an erfolgreicher Neuvermietung im gewerblichen Bereich, teilweise aber auch am Um - Die gläserne Büro raster fassade wurde ersetzt durch eine Wohnfassade mit Balkonen
bau zu Wohnraum: So sind alleine 32.000 Quadratmeter aus der Statistik gefallen, und öffenbaren Fenstern. Außer Wohnungen enthält der Living Circle auch eine Kita
weil eine campusartige Konzernzentrale im Stadtteil Flingern neu belebt werden kon- und einen Supermarkt. In einem städtebaulichen Vertrag mit der Stadt Düsseldorf
nte: Nach dem Thyssen sein erst 1991 durch den Architekten Magnus Maria Troll ge - wurden für zehn Jahre be zahl bare Mieten festgeschrieben. Für das Projekt erhielt Bau -
bautes „Trade Center“ verlassen hatte, stand es fünf Jahre lang leer, eine Neu ver - wert den Bauherrenpreis 2018 in der Kategorie „Umnutzung für das Wohnen“. Auch in
mietung schei terte aufgrund der enormen Größe. Weil auch in Düssel dorf der Bedarf Berlin gibt es eine Reihe von bemerkenswerten Umbauprojekten. Am meisten Auf -
an Wohnraum groß ist, entschied sich ein Investor für den Umbau. Ver gangenes Jahr sehen erregt derzeit das Vorhaben von Fuchshuber Architekten aus Leip zig, den 120
wurde der Umbau ab ge schlossen und der auffällige Komplex aus Halb kreisen und Meter hohen „Steglitzer Kreisel“, eines der höchsten Hochhäuser Berlins um zu wan -
Kreisen umbenannt in „Living Circle“. Die 340 Mietwohnungen sind mittlerweile bezo- deln zum sogenannten „ÜBerlin“. Das nach den Plänen der Archi tektin Sigrid Kres -
gen. „Es ist das größte Büro gebäude, das bisher in Deutschland zu Wohnraum umge- man-Zschach erbaute Ge bäude in der Schlossstraße setzt damit seine lange Tra dition
baut wurde“, sagt Henning Hausmann, Leiter Investment beim Berliner Projekt - als Schlagzeilenproduzent fort, die es in der zwölfjährigen Bauzeit von 1968 bis 1980
entwickler Bauwert. Im Vergleich zu einem durchaus möglichen Abriss und Neubau durch Kostenexplosionen, Bauver zö ge rungen und Gerichtsverfahren begonnen hatte.
war der Umbau kaum billiger, so Haus mann. „Ein Umbau birgt ja immer Risiken und Nach Fertigstellung zog das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf in das 30-stöckige Ge bäude
jede Überraschung kostet Geld, wenn man eine Wand aufklopft und dahinter liegen ein, musste aber 2007 wegen Asbest belastung wieder raus. Seither stand es leer. Die
Leitungen, die in keinem Plan eingezeichnet sind.“ Beim Aufklopfen von Wänden Berliner CG Gruppe kaufte das Gebäude und baut es aktuell zu einem Wohnturm mit
blieb es nicht, wie Harald Wennemar vom Archi tekturbüro Konrath und Wennemar 329 hochwertigen Eigentums wohnungen um. 190 Millionen Euro werden in den Um -
erläutert. „Außer der Tief garage sind keine Nutzungen erhalten worden.“ Die alte bau investiert, der im Frühjahr begonnen hat und Ende 2021 abgeschlossen sein soll.
130 • AIT 7/8.2018