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FORUM SPEZIALISTINNEN • SPECIALISTS
Eva Boss, bkp in Düsseldorf
Foto: Ralph Richter 2008–2012 Bachelorstudium Architektur an der Technischen Universität Darmstadt 2012–2015 Masterstudium
Architektur an der RWTH Aachen seit 2015 Head of Design und Gesellschafterin bei bkp in Düsseldorf 2021
Weiterbildungen u. a. zum Thema Nachhaltiges Handeln über das Zukunftsinstitut seit 2024 AI Specialist bei bkp
Künstliche Intelligenz und Innenarchitektur
Eva Boss ist Architektin und Gesellschafterin bei bkp in Düsseldorf. Als täglichen Austauschpartner für sämtliche Aufgaben. Wir gestalten meinen Arbeitsalltag
Head of Design leitet sie Projekte mit Fokus auf Innenarchitektur und gemäß der „KI-First-Methode“ und versuchen immer zuerst, das Problem mithilfe der KI
New Work, sie setzt sich besonders für die Vereinbarkeit von Beruf zu lösen. Im Team nutzen wir zum Beispiel unsere selbst gebaute Planungsassistentin
und Familie. Früh hat Eva Boss die rasche Entwicklung der künstlichen „Paula“ sehr häufig, die auf eine geballte und ständig wachsende Wissensdatenbank all
Intelligenz und deren Potenzial für die Architektur wahrgenommen unserer Projekte zugreift und im Chat schnell und einfach viele Fragen beantwortet. Paula
und in die Arbeit ihres Büros einfließen lassen. Ihr Anspruch: Das Beste ist als Einstieg in jedes Projekt hilfreich, aber auch während der Leistungsphasen ständige
aus künstlicher und menschlicher Intelligenz zusammenzuführen, um Begleiterin, denn jede Antwort ist gegliedert nach Leistungsphasen, bkp-Standards, wichti-
Arbeitswelten zu schaffen, die Menschen begeistern. gen Hinweisen aus unserer jahrelangen Planungserfahrung sowie Quellenverweisen, falls
gewünscht. So gewährleisten wir nicht nur die Weitergabe von Wissen in einem agilen
Frau Boss, überall ist die Rede von künstlicher Intelligenz – auch in der Architektur. Team, sondern auch das ständige Lernen aus bereits gemachten Fehlern.
Doch inwieweit revolutioniert die KI tatsächlich unser Berufsfeld?
KI verändert nicht nur die Tools, mit denen wir arbeiten – sie stellt unsere gesamte Arbeits- Als Gesellschafterin bei bkp in Düsseldorf haben Sie lange Erfahrung mit der Führung
weise infrage. Sie ermöglicht neue Entwurfsprozesse, automatisiert Routineaufgaben und von Planungsteams. Wie teilen Sie ihre Kenntnisse über KI-Tools mit ihren KollegIn-
eröffnet vor allem auch für das Arbeiten mit BIM-Modellen im Projektablauf neue Potenzi- nen? Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Team im Umgang mit KI richtig geschult wird?
ale. Am spannendsten finde ich an KI, dass sie unsere Denkprozesse verändert und man Wir haben interne Lernformate entwickelt, in denen wir niedrigschwellig Wissen vermit-
nach einer Weile Workflows im Büro ganz anders begreift. Gleichzeitig fordert sie uns teln – mit viel Praxisbezug und Raum für Austausch. Gleichzeitig fördern wir eine Kultur
heraus, unsere Rolle als Gestalter neu zu denken. Unsere Arbeit wird nicht ersetzt, sondern des Ausprobierens. Denn nur durch eigenes Tun entsteht Vertrauen in die Technologie.
ergänzt – durch ein intelligentes Gegenüber und einen neuen persönlichen Assistenten, der Wöchentlich bieten wir „KI Buddy-Termine“ an, bei denen KollegInnen im 1:1-Austausch
einem das Leben leichter machen kann. gezielt ihre Fragen klären können. Außerdem haben wir eine sehr offene Fehlerkultur und
treffen uns einmal im Monat zu einem „KI-Sprint“, bei dem wir auch über die „besten
Wann haben Sie angefangen, sich mit dem Themenkomplex zu beschäftigen und wel- Fehler“ des Monats berichten und was wir daraus gelernt haben.
che Kenntnisse genau machen Sie zur Fachfrau auf diesem Gebiet?
Nach meiner Elternzeit kam ich Anfang 2024 zurück in den Büroalltag und habe mich Brauchen Architekturbüros künftig eine KI-Beauftragte?
gefragt, wie wir mit unserem Know-how in Kombination mit KI unsere Prozesse nachhaltig Unbedingt. Wir brauchen eine Instanz, die Chancen erkennt, Risiken bewertet und Mit-
verändern können. Eine der Herausforderungen war die Frage: Wie können wir KI nutzen, arbeitende befähigt. KI wird ein fester Bestandteil unserer Bürostruktur sein – und wie
um unseren Entwurfsprozess zu revolutionieren? Mit dieser ersten Idee hatte ich schnell jede andere Technologie auch, braucht sie Verantwortung. Es braucht aber aus meiner
einen bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten für uns als Team im Kopf und wollte KI für persönlichen Erfahrung im Team auch KI-Experten, die KI fühlen, atmen und leben als
alle einfach zugänglich machen. Mein Wissen basiert auf vielen Jahren Berufserfahrung und Austauschpartner und Entwicklungs-Pro – so wie meinen Kollegen Benny Klingbeil.
der interdisziplinären Zusammenarbeit mit unserem Team, aber natürlich auch auf kon-
kret umgesetzten Projekten mit meinem AI Specialist-Kollegen Benny Klingbeil und dem
Aufbau strategischer Prozesse für den Einsatz von KI im Projektgeschäft. Benny Klingbeil
ist unser Gesicht zum Thema AI Automation. Wir haben uns bewusst dafür entschieden,
diese Position seit 2024 als festen Bestandteil des Teams zu etablieren, damit wir unsere
Ziele auch mit der notwendigen Power umsetzen können. Wenn wir eine neue Aufgabe
mit KI vereinfachen/verbessern/verändern wollen, überlegen Benny und ich immer zuerst,
ob wir eine „buy“ oder „build“ Lösung dafür brauchen. Wir haben in den letzten Monaten
deshalb auch viele eigene Tools und Agenten entwickelt und gebaut. Das macht uns zu
KI-Experten mit einem schnellen Anstieg an Wissen und Kenntnissen in diesem Bereich.
Mit welchen KI-basierten Werkzeugen arbeiten Sie täglich? Inwieweit hat sich Ihre
Arbeitsweise dadurch verändert?
Wir arbeiten täglich mit Text- und Bildgeneratoren, Analyse-Tools und automatisierten Aus-
wertungen. Die Geschwindigkeit hat sich enorm verändert, und das schafft Freiraum für
Tiefe: Wir denken mehr über Wirkung und Kontext nach, weil wir uns nicht mehr in manu- Foto: Annika Feuss
ellen Details verlieren. Vor allem unsere KI-Assistenten Claude und Chat GPT sind unsere
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