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BAR HOTEL RESTAURANT
LULU BAR
IN LISSABON
Entwurf • Design DC.AD, PT-Lissabon
Eine Bar, keck, frech und selbstbewusst! Wie die sogenannten Flapper
der 1920er-Jahre, die durch ihr knappes Beinkleid, Kurzhaarfrisur und
Make-Up provozierten – allen voran Schauspielerin Louise Brooks, die
in ihrer Hauptrolle als „Lulu“ mit ihrem Bubikopf Geschichte schrieb.
Knapp 100 Jahre später lässt das portugiesische Studio DC.AD die
sinnlichen Züge dieser Ära aufleben. Art Déco mit Neon-Upgrade ...
von • by Stephan Faulhaber
R osa, lila, türkis – in Kombination oder im Wechsel – leuchtet es neuerdings im
Stadtkern von Lissabon. Nur wenige hundert Meter vom Tajo-Ufer entfernt, im 170
Quadratmeter großen Erdgeschoss eines dreigeschossigen Gebäudes aus dem frühen
19. Jahrhundert – kurz nach dem desaströsen Erdbeben von Lissabon erbaut, bei dem
etwa 85 Prozent aller Gebäude der Stadt zerstört wurden –, eröffnete jüngst eine Bar mit
Restaurant. Lulu ist eine Reminiszenz an die 1920er-Jahre! Viele ästhetische Merkmale
des Jahrzehnts finden sich in der facettenreichen Auswahl an Farben, Mustern und Ma-
terialien wieder. Die rhythmische Geometrie des Natursteinbodens, dessen Dreifarbig-
keit in Rosa, Dunkelgrün und Weiß sich an der Fassade orientiert, schafft eine visuelle
Verbindung zwischen innerer und äußerer Architektur. Diese könnte auch als abstrakte
Fortführung des traditionellen Straßenpflasters – der Calçada Portuguesa – verstanden
werden. So oder so wird das Auge bereits vor dem Betreten für kunstvollen Bodenbelag
sensibilisiert! Die schaufensterartigen Öffnungen entlang der Frontseite lassen nichts
von den einstigen blickdichten Fensterläden erahnen, sondern das überwiegend weiße
Interieur bei Tag munter und anheimelnd in natürlichem Licht erscheinen. Für die
Abendstunden entwickelte DC.AD gemeinsam mit Joana Forjaz Lighting Design ein wan-
delbares Lichtkonzept, das das neutrale Weiß in einen scheinbar fluoreszierenden Lack
verwandelt. Effektvoll leuchten die Oberflächen der hohen Räume in kräftigen Neonfar-
ben. In Farbton und Intensität steuerbar, lassen sich für Bar-, Ess- und Tanzbereich in-
dividuelle und voneinander unabhängige Atmosphären schaffen. Ebenso im Zeichen
der Nutzungsvielfalt steht das frei arrangier- und gruppierbare Mobiliar, das sich sowohl
für Feste als auch für intimere Zwei-Personen-Dinner eignet. Dynamisch und variant ani-
miert die Innenarchitektur zum discohaften Aufenthalt – beim Pendeln zwischen Bar-
hocker und Sofalandschaft das Tanzbein schwingend. Dem Lissaboner Studio gelingt
ein unbeschwert eklektizistischer Entwurf, der die lebendige Metropole komprimiert
wiedergibt und die Zwanziger zum Gegenwartsbegriff mit Jetztzeitbezug verpflichtet.
084 • AIT 6.2022