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BAR HOTEL RESTAURANT LITERATUR • LITERATURE
           LITERATUR








            NEUE TITEL ZUM HEFTTHEMA BAR, HOTEL UND RESTAURANT – SOWIE URLAUBSLEKTÜRE


































            Bad Gastein                              Hush                                     Urlaubsarchitektur


            „This is not what you wanted, not what you had in mind  Alles begann an einem Freitag, dem 13., der seinem  Man möchte gleich die Koffer packen und losziehen zu
            ...“ – den Fotografien, mit denen Philipp Balga im Mittelteil  Namen alle Ehre machte – an diesem Tag im März 2020,  einer – egal welcher – dieser erlesenen Urlaubsarchitektu-
            dieser neuen Publikation den einst glamourösen Alpen-  der sicher im Gedächtnis vieler geblieben ist, wurde vom  ren. Seit 14 Jahren stellt das Webportal mit gleichem
            kurort Bad Gastein als marode Kulisse vorführt, sind die  Berliner Senat die Schließung von Clubs und Bars in der  Namen nun schon architektonisch anspruchsvolle Ferien-
            Lyrics des Songs „Bad Kingdom“ zur Seite gestellt. Mit  Hauptstadt verkündet. Für die weltweit bekannte Clubkul-  häuser und -wohnungen von Nordeuropa bis Sri Lanka
            dem Track im Ohr lässt sich die Tristesse eines Ortes er-  tur Berlins ein trauriger und für die Kulturschaffenden  vor und sammelt eine Auswahl der bildstärksten in einem
            fühlen, dessen spektakuläre Bau- und Kulturgeschichte  sowie die BetreiberInnen von Kultlokalen und ihr Personal  kürzlich wieder neu erschienenen Coffeetable-Buch. Das
            die Architektin Judith Eiblmayr hier sachlich und mittels  ein äußerst schwieriger Start in die Ungewissheit, die die  besteht aus zwei „Zeit“ und „Raum“ genannten Teilen:
            historischer Pläne und Ansichten nachzeichnet. Die Zu-  nationalen Lockdowns mit sich brachten. Die einst laute-  Der erste ist ein handliches Magazin als Beilage, das die
            kunft Bad Gasteins hatte man sich zu Glanzzeiten des Bä-  sten Orte der Stadt standen nun sinnbildlich für Stille und  Menschen hinter den empfohlenen Locations sowie deren
            dertourismus im 19. Jahrhundert wohl in der Tat anders  Stillstand. Für ihr im März 2021 erschienenes Buchprojekt  jeweilige Position zu Architektur, Stil und Ästhetik be-
            vorgestellt. Damals beschleunigten die wirtschaftlichen In-  besuchten Fotografin Marie Staggat und Journalist Timo  schreibt. Darin erfahren wir unter anderem von spannen-
            teressen des Kaisers in Wien auch den Bauboom im  Stein 40 Berliner Techno-Clubs, in denen die unfreiwillige  den Begegnungen mit Oscar Niemeyer und lernen, wie Le
            „Wildbad Gastein“; am Steilhang über dem tosenden  Ruhe eingekehrt war, und sprachen mit Clubmanagerin-  Corbusier und dessen Frau Yvonne selbst gerne urlaubten.
            Wasserfall stapelten sich gigantische Badeschlösser im  nen, Türstehern, Bookern, Barfrauen, DJs, Türsteherinnen  Der zweite Teil des Buchs ist der eigentliche Katalog, der
            großstädtischen Stil – ungeachtet dessen, dass die Mega-  und Hausmeistern. Herausgekommen ist eine Publikation,  großzügig bebildert die ausgewählten Ferienunterkünfte
            Kubaturen mit dem Niedergang des Massentourismus im  die starke, krisenfeste, aber gleichermaßen verzweifelte  portraitiert und über architektonische Konzeption, Hinter-
            „Manhattan der Alpen“ einmal selbst zur Gefahr für das  Charaktere und ihre Clubs in Zeiten ihrer womöglich kri-  gründe sowie Kenndaten zu Lage und Größe informiert.
            Ortsbild werden könnten. Eiblmayrs baugeschichtliche  tischsten Schaffensphase vorstellt. Auf 368 Seiten sind  Unter den stilvollen Retreats finden sich revitalisierte und
            Bestandsaufnahme legt nun die einzelnen Schichten einer  großformatig fotografische Einblicke in Orte zu bestaunen,  umgenutzte Höfe, Adelssitze, Turmhäuser, Schulhäuser
            architektonischen Topografie in schwindelerregender  an denen normalerweise getanzt, gelebt und die Freiheit  und Bauernhäuser sowie neugebaute Villen, Tiny Houses,
            Höhe offen – von den hölzernen Blockhütten des 16. Jahr-  zelebriert wird – in ihrer Leere jedoch strahlen sie eine ge-  Hütten und Pavillons am Strand, im Wald und in der
            hunderts bis zum legendären Felsenbad im Zeitalter des  genteilige und doch eindrucksvolle Emotionalität aus. Sie  Heide. Alle zeichnet eine in der gängigen Urlaubsarchitek-
            Stahlbetons. Angesichts der just begonnenen Revitalisie-  zeigen die Fragilität einer Branche und wie Heimat, Zu-  tur selten gesehene ästhetische Klarheit und Konsequenz
            rung des Ortes ist die Auseinandersetzung mit dem bau-  hause und Safe Space aussehen kann. Der Erlös der Pu-  aus, in deren Umfeld auch die anspruchsvollsten Gäste
            historischen Erbe jetzt besonders empfehlenswert.  kk  blikation kommt den beteiligten Clubs zugute.  pb  einfach ihre Seele baumeln lassen können.  kk

            Bad Gastein – Ab I An I Aufgebaut. Urbane Baukultur am Wilden Wasser  Hush – Berliner Clubkultur in Zeiten der Stille  Urlaubsarchitektur. Raum & Zeit
            Von Judith Eiblmayr und Philipp Balga    von Marie Staggat und Timo Stein         Herausgegeben von Jan Hamer
            Erschienen 2021 im Verlag jj edition, Wien  Erschienen 2021 im Parthas Verlag, Berlin  Erschienen 2021 im Verlag Edition Urlaubsarchitektur, Hannover
            Deutsch. 208 Seiten. Softcover. Format 17 x 24 cm. 31,90 EUR  Deutsch/Englisch. 368 Seiten. Softcover. Format 24 x 30 cm. 30,00 EUR  Deutsch/English. 232 Seiten. Hardcover. Format 30 x 24 cm. 46,95 EUR
            ISBN 978-3-200-07658-7                   ISBN 978-3-86964-128-7                   ISBN 978-3-9817367-7-9

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