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BAR HOTEL RESTAURANT
BAR & CLUB WHITE NOISE
IN STUTTGART
Entwurf • Design hdg Architekten / raumspielkunst, Bad Kreuznach
Das Stuttgarter Nachtleben gilt gemeinhin nicht als sonderlich ex -
peri mentierfreudig und exzessiv. Mit dem White Noise konnte sich
in der biederen Schwabenmetropole zuletzt allerdings eine Night -
life-Architektur etablieren, die fast schon nach Berlin schmeckt. Da -
zu gehören sowohl eine kommunikative, tribünenartig gestaltete
Bar als auch ein be tonharter Tanz tem pel für elektronische Musik.
von • by Dr. Uwe Bresan
E in Name, zwei Locations: links Bar, rechts Club, dazwischen der Zugang zur U-Bahn-
Station Stuttgarter Rathaus! Das Drumherum? Eigentlich ein Unort, eine tiefer gelegte
B-Ebene im Herzen der Stadt, entstanden zu Beginn der 1980er-Jahre als Teil eines neuen
städtischen Verwaltungskomplexes – ambitioniert gedacht mit verwinkelten Treppen ab -
gän gen, be grünten Mauern und einem Baum in der Mitte, um die Trostlosig keit der umge-
benden Fassaden zu mildern. Es funktionierte: Früher war hier das „Litfass“ zu Hause, eine
Institution des Stutt garter Nacht lebens. Als der Laden Ende der 1990er-Jahre verschwand,
ging es mit dem Ort jedoch steil bergab. Die umliegenden Geschäfte wollten nicht mehr
lau fen, der öf fent liche Raum verwandelte sich zusehends zur öf fent lichen Be dürf nisan -
stalt. Jahrelang hing beißen der Urin geruch in der Luft. Seit eine nachwachsende Gene ra -
tion die Groß for men der architektonischen Spätmoderne allerdings als hippe Life sty le-
Büh nen für sich entdeckt hat, tut sich wieder etwas auf der Stuttgarter Tief ebene. Den
Anfang machte 2015 das „Breitengrad 17“, ein cooler Vietnamese mit ambitionierter Küche
und zeitgeistiger Gestaltung (siehe AIT 6/2015). Das „White Noise“ folgte – zuerst die Bar,
dann der Club. Beide Räume wurden vom Doppelbüro hdg Architekten / raumspielkunst
ge staltet. In der Bar steht das Sehen-und-Ge sehenwerden im Mittelpunkt. Ent spre chend
entwarfen die Ar chi tekten Fabrice Henninger und Florian Lachenmann gegen über der gro-
ßen Glasfront, die das Lokal zum Platz hin öffnet, eine ansteigende Sitzlandschaft. Die Bar
davor besteht aus offenen Regalen, der Tresen aus drei dünnen Stahlbeinen und einer
schmalen Platte. So bleibt der Ausblick durch die Glas wand erhalten. Geplant waren
zunächst auch Film vorstellungen. Das Konzept wurde allerdings mittlerweile beerdigt, die
Elemente im Raum neu arrangiert. Der benachbarte Club wiederum ist denkbar introver-
tiert. Zwei Elemente bestimmen die Gestaltung: ein hoher, schnörkelloser Bartresen auf
der einen Seite, ein Wellenbrecher für die antanzende Meute, ihm gegenüber das frei ste-
hende DJ-Pult aus Beton. Da zwischen spannt sich, seitlich durch zwei Sitzstufen aus Beton
geformt, der Tanzflächen-Kessel. So Berlin wie hier war Stuttgart schon lange nicht mehr!
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