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Stephan Droste


                1977 in Tübingen geboren 1996–1997 Studium Informatik, Friedrich-Schiller-Universität Jena 1998–2007 Studium Architektur und Bauingenieurwesen, Bauhaus-Univer sität Wei -
                mar 2008–2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, CAAD-Labor, Universität Stuttgart 2012–2014 Senior Systems Engineer, Kaulquappe GmbH, Zürich (Parametric Design, System -
                integration, BIM) seit 2015 Projektpartner, Reinraum GmbH, Stuttgart (VR, Rapid Prototyping, Parametrik) seit 2015 Gründer TEKT.IO GmbH, Stuttgart (Architekturinformatik)







                D   as Schlagwort BIM lässt sich heute kaum noch ignorieren! Dahinter steht allerdings  mehreren Phasen realisiert werden soll und daher mit häufigen Änderungen zu rechnen
                    kein inszenierter Hype, sondern vielmehr das langsame Ankommen einer jahrzehn-
                                                                              ist. Auch wenn sich bereits in der Planungsphase vergleichbare Folgeaufträge ankündi-
                tealten Idee in der Planungswirklichkeit. Grundsätzlich stellt das Building Information  gen, kann man davon ausgehen, dass sich der Anfangsaufwand für die Einfüh rung von
                Modeling eine computergestützte Planungsmethode dar, die auf einem integralen, durch-  BIM bezahlt macht. Eine Investition in  zusätzliche Software  ist dabei in der Regel
                gängig digitalen Modell aufbaut. Unter einem möglichst ganzheitlichen Gebäudemodell  zunächst nicht notwendig, da die üblichen CAD-Hersteller schon seit Langem BIM-Funk -
                versteht man dabei eine 3-D-Geometrie einschließlich von Meta daten, das heißt von kon-  tionen in ihren Paketen integriert haben. „Ein bisschen BIM“, wie es gern heißt, wenn
                kreten Bauteileigenschaften. In Verbindung mit Kosten- und Terminplanungsdaten wird  Planer mit BIM-konformen ICF-Daten nach außen glänzen möchten, lohnt sich meiner
                dabei gern von einer sogenannten 5-D-Planung ge spro chen. Diese Dimensionalität ist  Einschätzung nach nicht: Der Mehraufwand, um aus konventionellen Planungen zur
                aber nicht begrenzt. So können auch andere Infor ma tio nen – wie etwa alternative Pla -  rechten Zeit einen IFC-Export zu erzeugen, ist selten sinnvoll. Wenn, dann würde ich im -
                nungen, bauphysikalische Eigenschaften oder Belich tungs konfigurationen – durchaus als  mer zu einem echten BIM-Modell raten.
                weitere  Dimensionen  interpretiert  werden.  Aus  Sicht  von  Architekten  und  Innen -
                architekten bedeutet die Arbeit mit BIM einen echten Paradig menwechsel. Dabei ändert  Einige Tipps für den Einstieg in die BIM-Planung
                sich zwar nicht deren Aufgabe – das Ziel, korrekte, lesbare Planungsunterlagen bereitzu-
                stellen, bleibt bestehen –, allerdings erfolgt die Arbeit nicht mehr separat in der konkre-  Eine projektbegleitende Einführung ist in den meisten Fällen die passende Herangehens -
                ten Zeichnung, dem Raumbuch, der Fenster liste oder der Kalkulation. Vielmehr wird aus-  weise. „Trockenübungen“ und präventive Schulungen behandeln selten konkrete Prob -
                schließlich im BIM-Modell gearbeitet, aus dem heraus sich die notwendigen Dokumente  lem stellungen. Ein den Umfang betreffend idealtypisches und möglichst wenig zeitkriti-
                bei Bedarf generieren lassen. Idealerweise bedeutet das, dass kein Strich mehr in einer  sches Projekt ist zur Erarbeitung der neuen Methodik am zweckdienlichsten. Im Verlauf
                Ansicht gezeichnet werden muss, sondern die in einem Planlayout platzierte Zeichnung  der Bearbeitung sollte ein Bürostandard für die Modellbildung entwickelt und gut doku-
                sich nach jeder Modell än derung automatisch dem aktuellen Planungsstand anpasst. Der  mentiert werden. Er kann anschließend als Arbeitsgrundlage für alle weiteren Projekte
                Vorteil, alle relevanten Planungsunterlagen aus einem zentralen Modell ableiten zu kön-  die nen. Um diesen Prozess strukturiert und reflektiert durchzuführen, ist eine Mo deration
                nen, liegt da bei auf der Hand. Wenn unterschiedliche Perspektiven der Planung unab-  und Begleitung durch externe BIM-Experten möglich und empfehlenswert. Aus der Sicht
                hängig voneinander bearbeitet und gespeichert werden, bleibt die Sicherstellung der  kleinerer Planungsbüros, die BIM lediglich zur Prozessoptimierung in der eigenen Pla -
                Konsistenz von Planungsständen eine beständige, zeit- und aufmerksamkeitsraubende  nung einsetzen möchten, sind die gängigen Einordnungen des Umfangs in „open/closed“
                Aufgabe des Planers. Jede Änderung muss auf Konsequenzen in verschiedenen Doku -  und „little/big“ wenig hilfreich. Die Zusammenarbeit mit Fachplanern und Handwerkern
                menten überprüft werden. Wird hier eine Anpassung übersehen, ergeben sich Unklar -  innerhalb eines BIM-Modells („BIG BIM“) lohnt sich vom Aufwand her erst, wenn die
                heiten, Inkonsistenzen und – daraus resultierend – Fehler. In der BIM-Planung wirkt sich  Arbeit mit BIM intern routiniert verläuft („little bim“). Auch entscheidet sich erst in einem
                jede Änderung hingegen automatisch auf alle Zusammenhänge aus. Eventuelle Unstim -  konkreten Projekt und im Kontext der übrigen Beteiligten und deren Softwaregege ben -
                migkeiten werden somit schnell sichtbar.                      heiten und -anforderungen, ob mit einer heterogenen „open BIM“-Landschaft oder einem
                                                                              homogenen „closed BIM“ operiert werden kann. Wie überall, kann auch bei der Anwen -
                Das Ziel bleibt das gleiche, nur der Weg dahin ist ein anderer   dung von BIM ein reicher Erfahrungsschatz nie schaden. Das betrifft vor allem die Wahl
                                                                              des optimalen Detaillierungsgrades. So muss das Modell einerseits ausreichend differen-
                Die Methodik des zentralen Datenmodells ist in Industriezweigen wie dem Flug- und  ziert sein, um die davon abhängigen Planungsaussagen treffen zu können. Gleichzeitig
                Fahr zeug bau heute nicht mehr wegzudenken. Die Vorteile der Rationalisierung sind evi-  sind penibelste Konstruktionsdetails unter Umständen weder für die Kostenrechnung
                dent: So  wäre etwa eine schnelle und  zum  Teil standortübergreifende Modell ent -  noch für bauphysikalische Simulationen, so diese denn gemacht werden sollen, notwen-
                wicklung und -fertigung ohne eine durchgehende, digitale Planung, die alle Abhängig -  dig und ihre „Programmierung“ somit vertaner Aufwand. Weitere Probleme ergeben sich
                keiten berücksichtigt, kaum mehr denkbar. Dass sich  vergleichbare Methoden im  häufig auch durch Unzulänglichkeiten innerhalb der verwendeten Programme. So kann
                Bauwesen bisher nur zö gerlich durchgesetzt haben, hat vermutlich viel mit der dem  es vorkommen, dass eine geplante Konstruktion nicht ohne Weiteres in einem CAD-
                Bauprozess immanenten Frag men tierung von Verantwortlichkeiten zu tun. Es gibt in der  System als BIM-konform abzubilden ist. Es gilt dann, systemgerechte Behelfslösungen zu
                Regel deutliche Trennlinien zwischen Auftraggeber, Entwickler, Planer sowie den ver-  finden. Dabei kann der Support des jeweiligen CAD-Herstellers in der Regel unterstützen.
                schiedenen Ausführenden. Oft sind Entwerfer oder Planer nur in einzelnen Phasen aktiv,  In jedem Fall lohnt es dann, diese Provisorien bürointern zu standardisieren.
                sodass der anfängliche Mehr aufwand, den die Herstellung eines BIM-Modells bedeutet,
                nicht gerechtfertigt erscheint. Dazu kommt, dass viele, vor allem kleinere Planungsbüros  Unterm Strich spart BIM Arbeit, Zeit und Geld
                nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen, zumal die Projektabwicklung oft
                unter Zeitdruck geschehen muss. Nicht zuletzt haben alle Betei lig ten unterschiedliche  Unterm Strich spart BIM Arbeit und damit Zeit und Geld. Die Frage nach einer entspre-
                Interessen innerhalb der  Wert schöp fungs kette. Nicht überraschend ist daher die  chenden Vergütung stellt sich also im Prinzip nur, wenn Projekte schon in frühen Phasen
                Erkenntnis, dass die Einführung von BIM bisher vor allem unter den „Big Players“ erfolgt  nach BIM aufgebaut und später nicht selbst  weiterbearbeitet  werden. Der Anfangs -
                ist. Im deutschsprachigen Raum sind damit vor allem die Planungsabteilungen der gro-  aufwand besteht allerdings aus mehr als nur dem Erlernen eines neues Programms.
                ßen Baukonzerne gemeint. Es gilt aber ebenso für Länder, in denen Architektur- und  Vielmehr muss die Art und Weise, wie Planung vermittelt und dokumentiert wird, neu
                Planungsbüros anders strukturiert sind als hierzulande. Es ist jedoch davon auszuge-  gedacht  werden. Diese Abkehr  vom direkten Arbeiten am „Produkt“ (Zeichnungen,
                hen, dass die Einreichung von digitalen BIM-Daten zum Bauantrag mittelfristig auch in  Tabellen und Aufstellungen) ist die eigentliche Hürde, die manchem Architekten und
                Deutschland  zum Standard  wird. Doch auch ohne dieses  vermeintliche  Innenarchitekten noch ungeheurer erscheinen mag als die Ablösung des Stifts durch die
                Damoklesschwert lohnt es sich eigentlich für alle Planer, die über die künstlerische  Maus in den 1990er-Jahren. Vor allem die Büro- und Projektleitung steht hier in der
                Formgebung hinaus Objekte entwickeln wollen, sich das Modellieren mit BIM anzueig-  Pflicht, diesen Paradigmen wechsel zu verstehen und mitzutragen, wenn sie im Ergebnis
                nen. Besonders lohnenswert wird die Arbeit mit BIM, sobald ein Projekt ab seh bar in  eine Rationalisierung der Planungsarbeit erreichen will.



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