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FORUM KORRESPONDENZ • CORRESPONDENCY
FMM Memmingen – Ulm (59 km) Stephan Faulhaber
47° 59’ 20’’ N, 10° 14’ 22’ O (Memmingen)
Zimmerer, Architektur-
studium (Universität) in
Stuttgart und Darmstadt,
Mitarbeit in Architektur-
büros, seit 2021 bei AIT
Expressive Dynamik
Nach dem Pflichtprogramm in Ulm, mit nen Brüstungsbändern als Landmarke. Auf After the obligatory stops in Ulm, with
dem Ulmer Münster – dem höchsten dem vorgelagerten, multikulturell gepräg- the Ulm Minster – the tallest church
Kirchturm der Welt – und den auf dem und ten Platz öffnet sich der Blick zwischen tower in the world... – and the buildings
fußläufig um den Münsterplatz gelegenen Kebab- und Falafelduft zurück zum Müns- by Richard Meier, LRO and Gottfried
Gebäuden von Richard Meier, LRO und ter. Doch das eigentliche Highlight in dieser Böhm within walking distance of Mün-
Gottfried Böhm lohnt sich eine kurze Fahrt Gegend ist eine andere Kirche: die expressi- sterplatz, it is worth taking a tram ride to
mit der Straßenbahn zum Ehinger Tor, rund onistische Martin-Luther-Kirche von Theo- the Ehinger Tor, once part of the federal
einen Kilometer entfernt. Heute ein großer dor Veil (1879–1965), fertiggestellt 1928. Ihr fortress from the 1850s. Opposite is the
Verkehrsknotenpunkt, war es einst Teil der Ziegelmauerwerk mit hellen Fugen zeigt Ypsilon, an office and residential buil-
gewaltigen Bundesfestung Ulm aus den über den Fenstern vertikale, entlang des ding with rounded corners and a striking
1850er-Jahren. Das Zusammenspiel der Ortgangs schräge Verläufe. Der Kirchturm, aluminium façade by Mühlich + Part-
heterogenen Bebauung funktioniert hier um 45 Grad zur Fassade gedreht, tritt über ner. Impossible to miss: The Universum
fast besser. Gegenüber steht das Ypsilon, dem Portal aus dem Giebel hervor. Wäh- Center – a high-rise that blends into the
ein Büro- und Wohngebäude mit abgerun- rend diese expressive Dynamik außen city skyline like an echo of the cathedral
deten Ecken und einer markanten Alumini- hervorsticht, haben Ereignisse im Inneren tower, a landmark designed in the 1960s
umfassade von Mühlich + Partner. Unüber- Spuren in der Geschichte hinterlassen. Dort by Stuttgart architect H. M. Wein. But
sehbar: Das Universum Center, ein Hoch- wurden während des Zweiten Weltkriegs the real highlight here is another church:
haus, das sich in die Stadtsilhouette einfügt heimlich, aber nicht unbemerkt, Flugblätter the expressionist Martin Luther Church
Foto: Stephan Faulhaber in den 1960er-Jahren vom Stuttgarter Archi- ter Scholl vorbereitet. Ihre Schwester Inge turned at an angle of 45 degrees to the
by Theodor Veil from 1928. The steeple,
wie ein Echo des Münsterturms. Entworfen
der Widerstandsgruppe um die Geschwis-
façade, emerges from the gable above the
tekten H. M. Wein, erhebt sich der 82
Aicher-Scholl eröffnete in den Räumlichkei-
Meter hohe Bau mit konkav geschwunge-
ten nach dem Krieg eine Volkshochschule.
portal – a strong, sculptural moment.
FKB 48° 46’ 46’’ N, 8° 4’ 50’’ O (Karlsruhe) Hendrik Bohle
Architekt, Autor und
Kurator, lebt und arbeitet
in Berlin, berichtet auf
thelink.berlin über Städte,
Länder und Bau-/Kultur
Formende Handschrift
2025 knallen die Korken: Das Karlsruher aufgebaut, andere neu errichtet, darunter In 2025, the Karlsruhe Institute of Techno-
Institut für Technologie (KIT) feiert sein das Versuchskraftwerk von Egon Eiermann logy (KIT) celebrates its 200th anniversary.
200-jähriges Jubiläum. Als Polytechnikum (1957), die brutalistischen „Chemietürme“ Founded as the Polytechnic School in 1825,
Karlsruhe im Jahr 1825 gegründet, bezog von Schmitt, Kasimir + Partner sowie it only moved to its own premises in 1833 –
es zunächst Räume im ehemaligen Lyceum Erich Schellings „Physikhochhaus“ (1968). the foundation for today’s Campus South.
am Marktplatz. Bereits acht Jahre später Letztere wurden in einer innovativen Fer- The main building, designed by Heinrich
zog die Institution in eigene Unterrichtsräu- tigbauweise konstruiert, die am KIT ent- Hübsch, set architectural standards with
me unweit des Schlossviertels um – eine wickelt und später vielerorts angewendet its round-arch style. Over time, new buil-
Standortwahl, die den Grundstein für die wurde. 1967 erhielt die Hochschule den Sta- dings were added, often designed by in-
spätere Entwicklung des heutigen Campus tus einer Universität und verdichtete ihren house professors. After WWII, 40% of the
Süd legte. Das Hauptgebäude wurde von Campus weiter. Mit der Fusion der Universi- campus was destroyed. Rebuilt structures
Heinrich Hübsch (1795–1863) entworfen, tät Karlsruhe und dem Forschungszentrum include Egon Eiermann’s test power plant
einem Architekten, der mit seinem Rund- Karlsruhe entstand 2006 das KIT. Heute ist (1957) and Schmitt, Kasimir + Partner’s
bogenstil Maßstäbe setzte. Im Laufe der der Campus Süd nicht nur ein Zentrum für brutalist “Chemistry Towers” (1968). KIT
Jahrzehnte wuchs die Hochschule kontinu- Wissenschaft und Forschung, sondern auch was created in 2006 by merging the Uni-
ierlich: Neue Institutsgebäude entstanden, eine Open-Air-Galerie: Kunstwerke wie jene versity of Karlsruhe and Forschungszen-
Fotos: Hendrik Bohle, thelink.berlin ren der eigenen Hochschule stammten – Natur, Baukultur und Kunst auf einzigartige a hub of science, research and art, home
trum Karlsruhe. Today, Campus South is
von Max Bill oder Erwin Wurm verbinden
deren Entwürfe in der Regel von Professo-
Weise. Das Jubiläumsjahr 2025 zelebriert to works by Max Bill and Erwin Wurm.
jede Generation hinterließ ihre architek-
tonische Handschrift. Nach dem Zwei-
das KIT mit einem abwechslungsreichen In 2025, KIT will celebrate with a diverse
ten Weltkrieg waren rund 40 Prozent der
Programm unter dem Motto „Wir gestalten
programme under the motto: Shaping the
020 • AIT 5.2025 Gebäude zerstört. Einige wurden wieder Zukunft. Forschung | Lehre | Transfer“. Future. Research | Teaching | Transfer.