Page 36 - AIT0420_E-Paper
P. 36
SERIEN STUDIERENDE ENTWERFEN ... • STUDENTS DESIGN ...
HS Darmstadt
1971 gegründet Lehrauftrag: Prof. Matthias Friedrich
16.000 Studierende Studiengang: Innenarchitektur
Foto: Marius Fürst
12 Fachbereiche www.h-da.de
Zugang nach außen nutzen zu können. Alle Aufenthaltsmöglichkeiten für die Öffent-
lichkeit erstrecken sich über das gesamte Erdgeschoss und über eine Galerie im
Obergeschoss. Die Trennung der Bereiche erfolgt im Obergeschoss über einen Luft-
raum sowie über eine Glastür und schusssichere Textilvorhänge an der dort angren-
zenden Übertrittsstelle. Bei den verwendeten Materialien stand für mich eine hohe
Qualität im Vordergrund. So fiel die Wahl auf Travertin für den Fußbodenbelag im
Längsschnitt • Longitudinal section Obergeschoss und auf Marmorelemente aus einer zurückgebauten Bestandswand für
die Thekenaufbauten in beiden Geschossen. Darüber hinaus verleihen Bodenbeläge
wie geräucherte und gekalkte Eiche den Räumen ein hohes Maß an Qualität. Im Erd-
geschoss bleibt der Quarzit-Fußboden erhalten. Die gesicherten und öffentlichen
Grundriss Erdgeschoss • Ground floor plan Zonen unterscheiden sich damit zwar in der Farbstimmung der Materialien, jedoch
nicht in ihrer Wertigkeit. Die Treppe aus Schwarzstahl steht wie eine Skulptur frei im
Raum und bietet ein zusätzliches, spannungsvolles Moment. Neben selbst gestalte-
ten Loungemöbeln, die durch bedarfsorientierte Umgestaltungen akustisch beru-
higte Räume ergeben können, fiel die Wahl bei der losen Möblierung unter anderem
auf verschiedene Stuhlmodelle der Marke Thonet. Auch hier stand für mich der qua-
litativ hochwertige und nachhaltige Ansatz im Vordergrund. An den frei gelegten Un-
terzügen des Bestandes befinden sich Schienen, in denen an vielen Stellen Akustik-
vorhänge befestigt und geführt werden können. Auf diese Weise können Räume bei
Bedarf flexibel getrennt und akustisch wirksames Material eingebracht werden. Die
Wand des messingfarbenen Funktionsriegels trägt ebenfalls zu einer verbesserten
Akustik bei, da sie über die Lochstruktur ihrer Oberfläche und dem dahinter liegen-
den Akustikmaterial schallabsorbierend wirkt.
Hochwertige Materialien trennen optisch, aber nicht qualitativ
In Bezug auf die Fassade war es mir wichtig, die Pfosten-Riegel-Konstruktion zu erhal-
ten und mit Glas, das die entsprechenden Anforderungen an die Schusssicherheit er-
füllt, zu ergänzen. Grundsätzlich sollten alle Eingriffe so gering wie möglich gehalten
werden. Faltschiebeläden aus Metallgewebe, die für den notwendigen Sonnen- und
Sichtschutz sorgen, verleihen der Fassade zusätzlich eine neue und frische Erschei-
nung. Im Inneren erfolgt die natürliche Belichtung über die großen Fensterflächen an
der Fassade, über zusätzlich eingefügte Oberlichter sowie über den neu konzipierten
Grundriss Obergeschoss • Upper floor plan Innenhof. Eine atmos phärische Grundbeleuchtung entsteht über ein aufgehängtes,
flexibles Deckensystem, das sich ebenfalls am Grundraster des Gebäudes orientiert.
Punktuelle Ausleuchtungen werden mit unterschiedlichen Mitteln erzeugt: Über den
Theken hängen formschöne Pendelleuchten, während im Luftraum Pendelleuchten
von Flos die Leichtigkeit und Spontanität des Raumes aufgreifen und Akzen te setzen.
Da sich in einzelnen Bereichen des Funktionsriegels Öffnungen in der Wand hinter
dem Lochblech befinden, wird auch hier eine Verbindung zwischen beiden Bereichen
geschaffen und Lichtspiele, Bewegungen sowie Blickbezüge entstehen.
Balanceakt: teilen ohne zu trennen
Die Schwierigkeit bei dieser Entwurfsaufgabe habe ich darin erlebt, ein Gebäude
und seinen Innenraum in verschiedene, voneinander zu trennende Funktionen teilen
zu müssen, ohne die eigentliche Qualität des Gebäudes stören zu wollen. Das Ge-
bäude profitiert – auf Basis seiner Bauweise auf Stützen – von der Möglichkeit der
großflächigen Offenheit, die ich unbedingt erhalten wollte. Mein Ziel war es, mit
allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, auf die jeweiligen, geforderten Situa-
tionen einzugehen und zugleich erinnerungswürdige Räume zu gestalten. Dabei
sollte der Fokus auf die Funktion nicht verloren gehen und der Respekt gegenüber
dem wertvollen Bestand ersichtlich bleiben.
036 • AIT 4.2020