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BDIA im
                                                                                                                       Gespräch mit:

                                                                                                                       Tanja Remke
                                                                                                                       BDIA Bremen/
                Foto: Antje Hanebeck, München            Foto: kuehnapfel-fotografie.de
                                                                                                                       Niedersachsen






                Kleines Budget – große Wirkung           Lebendige Räume für Kinder                 Für sich selbst bauen – eine Herausforderung?
                Gespräch mit Bauherrin Ulrike Franciscki, Salon Fran-  Gespräch mit der Bauherrin Dr. Katharina Dorandt,  Ja – und nein. Zum einen liegt im „Für-sich-selbst-
                ciscki, Altötting. Innenarchitektur: Veronika  Kamme-  Kinderzahnarztpraxis, Hamburg. Nathalie Schad,  Bauen“ ein großer Reiz. Man  startet mit dem
                rer, studio Lot, Altötting               bksn architektur innenarchitektur, Hamburg  Gedanken, die eigenen gestalterischen Ideen und
                                                                                                    Ansprüche  konsequent  verwirklichen  zu  können,
                Wie haben Sie Ihre Innenarchitektin gefunden?  Wie haben Sie Ihre Innenarchitektin gefunden?  man ist ja Innenarchitekt und Bauherr in einem. Aber
                Wir stammen beide aus Altötting, wir besuchten schon  Unsere  Töchter gingen in denselben Kindergarten. So  natürlich ist das nicht so. Wie jeden Bauherrn trafen
                denselben Kindergarten. Nachdem Veronika nach dem  haben wir uns kennengelernt. Bei einem Besuch bei ihr  auch uns die Themen Kosten und bauliche Grenzen,
                Studium wieder zurückkam, war sie meine Kundin im  zu Hause war klar, dass wir geschmacklich voll auf einer  insbesondere da es sich um ein denkmalgeschütztes
                damaligen Friseursalon. Ich kannte und mochte ihre  Wellenlänge liegen – und so gab es keinen Zweifel, wer  Stallgebäude aus dem 15. Jahrhundert handelt.  Auf
                Arbeiten. Für meinen neuen Salon wurde meine Kinder-  meinen anstehenden Praxisausbau betreuen muss.  der anderen Seite ist „Bauen-für-sich-selbst“ konkret
                gartengefährtin und Kundin meine Innenarchitektin.                                  und begreifbar. Man ist mit allen Fragen befasst, es
                                                         Was waren die wichtigsten Ziele?           entsteht daher kaum Unsicherheit oder Unklarheit.
                Was waren die wichtigsten Ziele?         Ich hatte bereits sehr genaue Vorstellungen zu Materi-
                Ich wollte auf gar keinen Fall einen geschleckten Schicki-  alien, Farben und Ausstattung. Meine Ideen  wurden  Eine Anekdote aus der Bauzeit?
                micki-Salon, sondern einen gemütlichen Ort, aber mit  wunderbar aufgenommen und von der Innenarchitektin  ...war der Abend, bevor  wir am nächsten  Tag die
                urbanem Charakter, eine  Werkstatt eben. Mit einem  perfekt in stimmige und funktionale Räume umgesetzt.  Bestellung für den geplanten Massivholz-Dielen -
                Tisch in der Mitte. Mit diesen Wünschen sind wir gestar-  Ich wollte Praxisräume, über die ich mich jeden Tag freu-  boden hätten auslösen müssen. Aus einem Bauch -
                tet und ich war ganz offen für Vorschläge zur Gestaltung  en kann. Die Kinder, meine Patienten, sollen sich wohl-  gefühl heraus entstand der Gedanke „Das passt
                und Umsetzung. Der Salon befindet sich in einem ehe-  fühlen, aber auch deren Eltern.   nicht.  Das wird zu viel.“ Wir  haben  im  gesamten
                maligen Altöttinger Plattenladen, der absoluten Kultsta-                            Haus Seekiefer-Sperrholzplatten verlegt.
                tus für meine Generation hatte. Ich wollte diese positive  Was lief besonders gut, was weniger?
                Energie und den Charme des alten Ladens bewahren.  Alle am Bau Beteiligten  waren Teil eines Teams – die  Haben Sie durch diesen Prozess besondere
                Deshalb war auch von Anfang klar, dass die originale  Kommunikation klappte hervorragend,  wir hatten  Erkenntnisse gewonnen?
                Ladentür mit dem Schriftzug zum Einsatz kommt.  Spitzenhandwerker auf der Baustelle, ein großes Glück!  Aus meiner Sicht ist es neben den fachlichen Dingen
                                                         Da ich schwanger war und nicht mehr arbeitete, hatte  ebenso  wichtig,  den  Bauherren  im  gesamten  Bau-
                Was lief besonders gut, was weniger?     ich entsprechend  Zeit, den Umbau als Bauherrin  zu  prozess mit all seinen Höhen und Tiefen begleiten zu
                Die  Zusammenarbeit  während der Planungs- und  begleiten. Probleme konnten so schnell gelöst, Entschei-  können. Da hilft die eigene Erfahrung natürlich.
                Bauzeit lief sehr gut, auch das Budget wurde eingehal-  dungen getroffen werden.
                ten. Nur die Namensgebung verlief etwas holprig.  Eine Praxis ist eine sehr spezielle Bauaufgabe, man muss  Wer hat Sie als Vorbild inspiriert?
                                                         sich in so viele Vorschriften und Regeln hineindenken –  Die skandinavische Architektur und Innenarchitektur.
                Eine Anekdote zum Projekt?               darauf hätten wir uns noch besser vorbereiten können.  Der Einsatz  von authentischen Materialien, der
                Altötting ist ein weltberühmter Wallfahrtsort und meine  Das Projekt war allerdings insgesamt eine sehr positive  Umgang mit Farbigkeit und Licht, die Ruhe und
                ursprüngliche Idee war, den Salon „hairgott“ zu nennen.  Erfahrung.                 Zurückhaltung in der Gestaltung  waren  wichtige
                Ich hatte auch den Segen vom Pfarrer! Leider gab es aber                            Gestaltungsthemen für uns.
                einen Kollegen, der den Namen bereits  verwendete –  Eine Anekdote aus der Bauzeit?
                und so entschied ich mich dann für „Salon Franciscki“.  Unser geplantes Riesenaquarium sprengte die erlaubte  Welches Thema bereitet Ihnen Kopfzerbrechen?
                                                         Nutzlast, also mussten wir es etwas verkleinern und un-  Ein Wettbewerbsentwurf. Wir sind ein junges Büro
                Wie kam es zum Graffiti-Motiv an der Wand?  seren Wunsch, echte Felssteine zu verwenden, aufgeben.   und sind zum ersten Mal zu einem Wettbewerb ein-
                In ersten Überlegungen dachten wir an ein Deckenmotiv,                              geladen worden.
                aber dann stießen wir bei unseren Recherchen auf das  Was macht Kinder als Patienten so besonders?
                berühmte Banksy-Motiv. Für mich ist es die Altöttinger  Kinder sind grundehrlich, ein echtes Geschenk, dies täg-  Welchen Ort haben Sie zuletzt für sich entdeckt?
                Version  von „What happens in Vegas stays in Vegas“:  lich erleben zu dürfen. Man muss sich ihr Vertrauen ver-  Das Connecticut General Life Insurance Building von
                Was hier im Salon gesprochen wird, bleibt auch hier.  dienen und darf es nicht enttäuschen. Unsere  Räume  SOM in Bloomfield, USA, von 1957. Es war das erste
                Wir sind diskret, eine wichtige Eigenschaft in meinem  und unsere Ausstattung sind vielfältig und lebendig und  Gebäude mit einem von Beginn an interdisziplinären
                Beruf. Am Ende wird fein säuberlich gekehrt. Das Motiv  bestens geeignet, ängstliche Kinder zwischendurch auch  Planungsprozess, an dem auch Innenarchitekten
                ist überraschend, clever – ich liebe es.  mal abzulenken.                           beteiligt waren.

                Wie reagieren die Kunden auf die Haarwerkstatt?  Wie reagieren denn die Kinder auf die Praxisräume?  Warum engagieren Sie sich als Mitglied im BDIA?
                Meine Kunden fühlen sich sehr wohl, sie sagen, es ist  Sie lieben das Wartezimmer, das Aquarium, fühlen sich  Mir ist der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung
                gemütlich wie in einem Wohnzimmer. Der Tisch in der  sehr wohl. Die meisten kommen sehr gerne wieder. Die  mit Berufskollegen und -kolleginnen wichtig.
                Mitte unterstreicht den unkomplizierten  Werkstattcha-  Beschaffenheit der Räume spielt eine wesentliche Rolle  Tanja Remke ist Innenarchitektin und seit 2000 Mitglied im BDIA.
                rakter. Die Atmosphäre im Salon ist wunderbar.  für das Wohlbefinden – gerade bei Kindern!



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