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WOHNEN  •  LIVING

































           WOHNUNG RUNGESTRASSE

           IN BERLIN


           Entwurf • Design FAR frohn&rojas, Berlin



           Frühstück im Pantheon, Mittagsschlaf im Großen Schauspielhaus und
           ein Cocktail unter der Kuppel eines Richard Buckminster Fuller – das
           Architekturbüro FAR frohn&rojas hat eine Idee realisiert, die solche
           Erlebnisse im ehemaligen Berliner AOK-Gebäude nahe der Spree
           ermöglicht. Der Erhalt der offenen Struktur reduziert den Materialver-
           brauch; sie bietet Platz für Lampenschirme der ganz besonderen Art ...



           von • by Stephan Faulhaber
           D   as von Albert Gottheiner (1878–1947) entworfene Versicherungsgebäude in der Runge-
               straße 5 wurde 1933 fertiggestellt. Noch im selben Jahr emigrierte der Architekt auf-
           grund der beginnenden Verfolgung im Nationalsozialismus nach Schweden. Die rotbraune
           Klinkerfassade mit ornamentalen Details ist ebenso gut erhalten wie die bemerkenswerte
           ehemalige Schalterhalle, über die das Haus betreten wird. Im zweiten Obergeschoss haben
           FAR frohn&rojas jüngst eine 211 Quadratmeter große Wohnung gestaltet, die die geöffne-
           te Form der früheren Büroetage weitgehend erhält. So ergibt sich ein offener Wohnraum
           von 150 Quadratmetern, der sich über die gesamte Nord-Süd-Achse erstreckt. Große Fens-
           ter rahmen den Blick auf den Köllnischen Park, während gegenüber ein Balkon auf den
           Innenhof der Blockrandbebauung führt. Ein prägendes Merkmal des Entwurfs sind drei
           überdimensionale, kuppelförmige Lampenschirme von je drei Metern im Durchmesser. Sie
           hängen knapp über Kopfhöhe, bändigen den weitläufigen, vier Meter hohen Raum und
           fungieren als Lichtquelle, akustischer Diffusor und Raumteiler zugleich. Ihre Gestaltung ist
           ikonischen Architekturen nachempfunden: dem Pantheon in Rom, dem Großen Schauspiel-
           haus in Berlin von Hans Poelzig und einer geodätischen Kuppel von Richard Buckminster
           Fuller. Darunter wird das Wohnen inszeniert, mit Möbeln, die sich frei auf dem Terrazzobo-
           den arrangieren lassen. Der Pantheon-inspirierte Schirm setzt den Essbereich in Szene. Die
           Poelzig-Hommage schafft eine Lounge-Zone. Dieser mittlere Bereich lässt sich zudem durch
           einen silbernen Vorhang abschirmen – etwa für Filmabende. Unter der dreieckigen Gitter-
           schale à la Buckminster Fuller schlagen die Architekten eine Couchlandschaft vor. Westseitig
           wird die lange geschlossene Wand durch einen Riegeleinbau ergänzt. Er gliedert die fünf
           Funktionsbereiche: Eingang, Küche, Arbeitszimmer, Bad und Bibliothek. Dahinter, aus der
           viereckigen Grundfläche heraustretend, liegt das Schlafzimmer. Es verläuft über die gesamte
           Geschosshöhe, während das Einbauelement eine Galerieebene schafft, die durch eine Spin-
           deltreppe erschlossen ist. Von hier aus schweift der Blick über die sphärischen Hüllen, die,
           entgegen ihrer massiven Erscheinung von unten, oben überraschend leicht wirken.

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