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WOHNEN • LIVING

































            ZIERHOF

            IN PFLERSCH



            Entwurf • Design Naemas Architekturkonzepte, IT-Bozen


            Mit der zweiteiligen Wohnbebauung in einem kleinen Weiler im
            Pflerschtal heilt Architekturbüro Naemas seelische Verletzungen. Un-
            weit des jetzigen Standortes brannte 2018 der Vorgängerbau, ein in-
            takter Erbhof, komplett ab. Nur vier Jahre später ist ein neues Zu-
            hause entstanden, das verspricht, das Schicksal nicht zu verdrängen.
            Der Brand eines Wohnhauses verursacht nicht nur materiell Löcher,
            er löscht auch räumliche Lebensspuren aus. Denn dort, in den Räu-
            men unseres Heranwachsens, liegen die intensivsten Erinnerungen.

            With the two-part residential development in the small hamlet of
            Ast in the Pflersch Valley, the architectural office Naemas heals
            emotional wounds. Not far from the current location, the previous
            building, an intact ancestral farm, burned down completely in
            2018. Just four years later, a new home has emerged that promises
            not to repress fate. A fire destroying a residential building not only
            causes physical losses, it also erases spatial traces of life. For the
            rooms we grew up in hold the most intense memories.



            von • by Daniela Keck, Stuttgart
            D   er Prozess der Suche nach dem richtigen Standort war mehr als ein Abklopfen der
                üblichen Randbedingungen, wie Ausrichtung, Orientierung, Besonnung, Topogra-
            phie und rechtlichem Rahmen. Es war eine tiefgehende und sehr persönliche Ausein-
            andersetzung, vor allem auch der Bauherrschaft, mit der Bedeutung dieses – ihres –
            Ortes. Das Pflerschtal hat eine geschichtsträchtige Vergangenheit. Pflersch ist eine Streu-
            siedlung, die sich das Tal entlang – über 23 Weiler und Höfe hinweg - verteilt und nur
            circa 650 Einwohner beheimatet. Touristisch ist das Tal noch recht jungfräulich er-
            schlossen, und die alten, bäuerlichen Lebens- und Wohnstrukturen lassen sich noch
            gut ablesen. Bis 1920 zu Österreich gehörend, liegt die ost-westlich verlaufende Sied-
            lung heute in Italien und wird nördlich durch die österreichische Gebirgskette der Stu-
            baier Alpen begrenzt. Die neue Wohnbebauung liegt nun nur 50 Meter vom alten
            Standort des Hofes entfernt, in dem kaum ein halbes Dutzend Häuser zählenden Weiler
            Ast auf etwa 1177 Metern, an einem südlichen Hang im Talbereich des „Außerpflerschs“.
            Mit der Wahl genau dieses Standortes ließ sich die Bauherrschaft auf ihre persönliche
            „Wohngeschichte“ ein. So konnte eine neue Heimat in der alten entstehen.  s

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