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WOHNEN • LIVING

































            NORTH PERTH HOUSE

            IN PERTH



            Entwurf • Design Nic Brunsdon, AU-South Fremantle


            Nachverdichtung von Städten – ein polarisierendes Thema unter den
            Fachleuten. Die einen beklagen die schwindenden Grünflächen, die
            anderen berufen sich auf die schon vorhandene Infrastruktur. Dass
            trotz vieler Zwänge einzigartige Projekte entstehen können, beweist
            das North Perth House des Architekten Nic Brunsdon. In einer schma-
            len Baulücke setzte er gekonnt alle Wünsche der Bauherren um.



            von • by Theresa Hütte
            E   ine enge Baulücke, schwere Zugänglichkeit, ein begrenztes Budget, der Wunsch der
                Bauherren nach einem Wohnhaus aus Beton und nicht zu vergessen: der Brand-
            schutz! Die Anfänge standen unter keinem guten Stern. Jedoch schaffte der Australier
            Brunsdon etwas, was nicht immer gelingt: Er machte aus der Not eine Tugend und schuf
            aus den begrenzten Möglichkeiten ein unverwechselbares Unikat. Als erste Untersuchun-
            gen ergaben, dass es unmöglich sei, mit Ortbeton zu arbeiten, klang das erst einmal nach
            einem herben Rückschlag. Der Rückschlag wurde jedoch zum Glücksfall, denn der Aus  -
            tralier beschloss, das zweigeschossige Gebäude aus Fertigbetonteilen zu entwickeln und
            lediglich mit zwei unterschiedlichen Formen zu arbeiten. Statt die Einzelteile zu einer
            simplen Kubatur zusammenzufügen, entstand eine unkonventionelle Komposition: eine
            gitterförmige Anordnung. Während vier parallel hintereinander angeordnete Betonfertig-
            teile das Untergeschoss bilden, werden um 90 Grad versetzt vier weitere Elemente als
            Obergeschoss „aufgesteckt“. Sich gegenseitig aussteifend, bilden sie sowohl das kon-
            struktive als auch konzeptionelle Ordnungsprinzip. Die massiven, vorgefertigten Beton-
            elemente sind durch kleine und große bogenförmige Aussparungen gekennzeichnet.
            Während der kleinere für die Durchgänge vorgesehen ist und im Haus eine charmante
            Enfilade bildet, ist der große Bogen für die bedeutenderen Gesten des Hauses vorgesehen
            – er rahmt die Küche, gibt Ausblick in den Garten oder formt das Galeriefenster. Wenn
            der Bogen raumbildende Funktion erhält, füllen Holzeinlagen oder Polycarbonatplatten
            die Öffnungen – lesbar bleiben sie trotzdem. Die Materialpalette ist bewusst reduziert:
            roher Beton für strukturelle Elemente wie Böden und Wände, Holz für die Elemente mit
            direktem Kontakt wie Möbel, Balustraden oder Küche und transluzente Kunststoffplatten,
            um weiches Licht in die Innenräume zu bringen. Der Minimalismus und die Wiederho-
            lung  täuschen nicht über die Komplexität der Räume hinweg – komprimiert und schum-
            merig, hoch und hell, roh und unfertig oder reich und intim. Obwohl sie in Beschränkung
            und Limitierung konzipiert wurden, sind vielfältige und reizvolle Räume entstanden.

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