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WOHNEN • LIVING
WOHNHAUS
IN HITTISAU
Entwurf • Design Klumpp + Klumpp, Stuttgart
Ein altes „Zuhäusl“ im klassischen „Wälder-Stil“ hatte es dem
Bauherrn angetan. Nach dem Umbau sollte es sein neues Ruhe-
standsdomizil werden. Die marode Substanz machte allerdings
einen Neubau notwendig – geplant von Klumpp + Klumpp. Die
Stuttgarter Architekten rekonstruierten den Wohntrakt und schu-
fen für die ehemalige Scheune eine moderne Interpretation.
von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
A uf der Suche nach einem neuen Zuhause für die Zeit im Ruhestand zog es den Bau-
herren, einen bekannten deutschen Psychiater, nach Vorarlberg. Er kennt die Ge-
gend gut; war an Wochenenden und im Urlaub schon oft hier wandern. Nun fand er ein
altes „Zuhäusl“, ein Austragshaus, inmitten einer steilen Wiese, errichtet vor gut 100 Jah-
ren im Hirtobel in Hittisau, das zum Verkauf stand und das sein neues Zuhause werden
sollte. Das ursprüngliche Haus war ein typisches „Wälderhaus“ – mit verschindeltem
Wohntrakt einerseits und einem Scheunen- und Wirtschaftstrakt andererseits. Letzterer,
das war von vornherein klar, ließe sich bei einem Umbau nicht erhalten. Das eigentliche
Wohnhaus jedoch sollte für die neue Nutzung ertüchtigt werden. Und auch die passen-
den Architekten waren schnell gefunden: das Stuttgarter Architekturbüro Klumpp +
Klumpp, „enge Freunde“ des Bauherrn. Bei den ersten Arbeiten zeigte sich allerdings
schnell, dass auch der Wohntrakt nur von minderer Bauqualität war. Zügig und mit ein-
fachsten Mitteln errichtet, fiel er nahezu in sich zusammen, als die stützende Scheune
abgetragen wurde. So planten die Architekten statt eines Umbaus nun einen Neubau –
auf den Fundamenten des alten Hauses, mit identischen Proportionen, Grundrissen und
Materialien. Sogar einige Bretter und Balken aus dem Vorgängerbau finden sich heute,
etwa in den Vertäfelungen der Stube, im neuen Haus wieder. Über den Grundmauern
des Wirtschaftstrakts hingegen entstand eine moderne Interpretation. Eine senkrechte
Bretterschalung nimmt den Bezug zum ursprünglichen Scheunenbau auf, während große
Glasflächen die neue Nutzung im Inneren ankündigen: im Erdgeschoss eine große Wohn-
küche, darüber ein privater Spa-Bereich, im Dach eine Gästewohnung. Eine Herausfor-
derung war es nun, die kleinteilige und niedrige Stubenstruktur des neu-alten Wohntrakts
mit den offenen und großzügigen Räumen der neuen Hausseite zu verflechten. Brüche,
Resträume, Höhenversätze und Ungereimtheiten bei der Verbindung von Alt und Neu
haben Klumpp + Klumpp meisterhaft gelöst und ein feines, funktionales und atmosphä-
risch ebenso dichtes wie vielfältiges Zusammenspiel der Räume geschaffen.
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