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WOHNEN • LIVING


































               HAUS M5/2

               AM STARNBERGER SEE


               Entwurf • Design Beer Bembé Dellinger, Greifenberg



               Mehr Struktur geht kaum! In seiner Skeletthaftigkeit und  Trans -
               parenz erinnert das von Beer Bembé Dellinger am Starnberger See
               realisierte Wohnhaus unweigerlich an Mies van der Rohes
               Farnsworth House im US-Staat Illinois. Die Wände aufgelöst in
               außen liegende Stützen, die Fassade geprägt durch raumhohes Glas,
               die Terrasse ein Zimmer im Grünen, die Natur allgegenwärtig ...



               von • by Annette Weckesser
               A   nders als die Mies’sche Ikone des Internationalen Stils schwebt Haus M5/2 aber
                   nicht über seinem Grundstück, sondern ist durch ein Gartengeschoss ins Gelände
               gebettet. Stolze 59,60 Meter lang und 7,70 Meter breit schiebt sich die Beton struktur zwi-
               schen alten Baumbestand. Der lange, innen wie außen extrem reduzierte Riegel gliedert
               sich im Erdgeschoss in ein Wohn- und ein Gästehaus. Beide verbindet die gemeinsame
               Terrasse – ein Wohnzimmer im Freien. Blumenwiesen vor, Waldboden hinter dem Haus
               sowie Kiefern und Obstbäume belassen dem Grundstück seinen wilden Charme. Durch
               raumhoch verglaste Fassaden ist die Natur allgegenwärtig. Akkurate Schreiner arbeiten
               prägen das gesamte Interieur. Haus M5/2 – innen mit Foamglas gedämmt – ist in den
               Aufenthalts räumen komplett mit Holz ausgeschlagen. Böden, Decken,  Wände, Ein -
               baumöbel und Treppen in heimischer Eiche schaffen ein behagliches, warmes Wohn -
               klima. Türen und Schrankelemente sind grundsätzlich raumhoch und lassen die Räume
               großzügig wirken. Im Gästetrakt ließen die Architekten durch Schiebetüren eine Enfilade
               an Räumen entstehen. Nahtlos gehen im Wohntrakt Küche, Ess- und Wohn bereich samt
               Kamin ineinander über. Eine rund 16 Meter lange Schrankwand schafft Stauraum für
               sämtliche Aufenthaltsbereiche und die Garderobe. Hinter diesem Raumteiler führt eine
               einläufige Treppe ins Gartengeschoss. Dieses ist auch von der Tiefgarage aus zugänglich.
               Schlaf-, Arbeits- und Kinderzimmer sind leicht ins Gartengeschoss eingegraben. An der
               nördlichen Stirn   seite liegt das dreiseitig verglaste Eltern schlafzimmer. Schlafen fast wie
               im Freien! Der üppige Baumbestand und die Lage tief im Grundstück sollen das Haus
               gut  vor Einsichten schützen.  Vorhänge schaffen bei Bedarf eine  zweite Haut. Als
               Bewohner muss man sich eignen für ein offenes Haus dieser Art. Edith Farnsworth soll
               mit dem offenen Grundriss, der Reduktion und Transparenz ihres Wochenendhauses
               schlecht zurechtgekommen sein, auch wenn sie es 21 Jahre lang nutzte. Das Haus sei
               „durchsichtig wie ein Röntgenbild.“



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