Page 108 - AIT0319_E-Paper
P. 108
WOHNEN • LIVING
HAUS D.
BEI TUTTLINGEN
Entwurf • Design Yonder – Architektur und Design, Stuttgart
Mit Haus D. in Möhringen, einem kleinen Ort bei Tuttlingen im Süden
von Baden-Würt temberg, stellt das Stuttgarter Architekturbüro Yon der
einmal mehr sein Können unter Beweis: Aus schwierigsten Rand be din -
gun gen her aus entstand eine Architektur mit ebenso hohem Schau-
wie Gebrauchswert. Dazu bedarf es allerdings – wie hier – im mer auch
eines Bau herrn, der seinen Archi tek ten voll und ganz vertraut.
von • by Dr. Uwe Bresan
D ass es zeitgenössische Architektur im ländlichen Raum nach wie vor schwer hat, da -
von können sowohl aufgeschlossene Bauherren als auch engagierte Archi tek ten viel-
fach ein Lied singen. Alles, was aus dem Rahmen des Gewohnten fällt, scheint geradezu
nach einem streitlustigen und leider oft auch klagefreudigen Nachbarn zu rufen. Im hier
ge zeigten Haus D. mehr als die be rühmte Ausnahme von der Regel zu sehen,s wäre des-
halb voreilig, auch wenn es in diesem Fall keinen Ärger mit den An wohnern gab. Ge rettet
hat den Frieden in der 4.000-Seelen-Gemeinde Möhrin gen, die seit den 1970er-Jah ren zur
Stadt Tutt lingen gehört, wohl vor allem die Tatsachen, dass man das schwarze Haus im
Orts bild kaum wahr nimmt, weil es auf allen Seiten von großen Nachbarbauten verdeckt
wird. So führt lediglich ein schmaler Fahr weg zwischen zwei Häusern hindurch zum
Grund stück. Die Parzelle gehört seit jeher zum an grenzenden Gehöft und wurde nun in -
nerhalb der Fa milie an die nächste Ge ne ration weitergereicht. Der junge Bauherr ist quasi
aus seinem Jugendzimmer ins be nach barte Eigenheim ge wech selt. Für dessen Bau enga-
gierte er die Stuttgarter Ar chi tek ten Katja Knaus und Bene dikt Bosch. Letzterer stammt ur -
sprünglich auch aus Tutt lingen; man kennt sich daher seit vielen Jahren. Entsprechend ver-
trauensvoll gestaltete sich die Zusammenarbeit! Knaus und Bosch entwarfen für das an -
steigende Ge lände einen sich spiralförmig in die Höhe schraubenden Grundriss. Vom
eben erdigen, in tegrierten Carport aus führen sechs größere und kleinere Niveausprünge
bis zur Dach terrasse hinauf. Den räumlichen Dreh- und konstruktiven Angelpunkt dafür
bil det ein Kreuz aus zwei massiven Betonmauern. Außen wände und Dach sind hingegen
als leichte Holzkonstruktionen ausgeführt und mit einer schwarzen Textil- beziehungswei-
se Blech haut verkleidet. Die Geo metrie folgt dem Grund stückszuschnitt und den gesetzli-
chen Abstands flä chen. Der Innen ausbau erfolgte wiederum in budgetfreundlichem Gips -
karton und viel Seekiefer. Ein paar farbige Möbel setzen be wusst Akzente. Aufs Schönste
be weist das Haus damit, dass der aktuelle Austerity Chic à la Arno Brandlhuber nicht nur
ein Haupt stadt-Phäno men ist, sondern auch auf dem flachen Land ganz gut funktioniert.
108 • AIT 3.2019