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Uwe Bresan
1980 in Dresden geboren 2000–2008 Studium der Architektur an der Bauhaus-Universität in Weimar 2005–2006 Freier Mitarbeiter am Deutschen
Architektur museum in Frankfurt am Main seit 2008 Mit arbei ter bei AIT in Stutt gart seit 2008 Veröffentlichungen zur Architekturgeschichte des
20. Jahrhunderts sowie zu queeren Architekturthemen 2015 Dissertation im Fachbereich Architekturgeschichte und Denkmalpflege an der Universität Siegen
Fotos: University of California, Santa Barbara, Architecture and Design Collection
Eine Glasfaltwand führt vom Essbereich hinaus auf die Terrasse, die über den Aliso Canyon hinausragt.
raumhohe Fensterfront hinauswandert, den felsigen Abhang hinunter, über die Dächer
der Stadt hinweg und bis zum Meer, das hinter den letz ten Häusern beginnt und bald
den ganzen Horizont einnimmt.
Der Abenteurer und sein Ghostwriter
Nichts an diesem Haus ist gewöhnlich: nicht seine prekäre Lage auf einem schmalen
Berggrat, gefangen zwischen einer tiefen Schlucht im Rücken und dem zum Meer hin
steil abfallenden Gelände auf der Vorderseite; nicht die scharfkantige Materialität des
innen wie außen brutal zur Schau gestellten Stahlbetons; und auch nicht die kühne
Präzision seines Planes, der nicht nur jeder Funktion die ihr angemessene Geometrie Ein breiter Flur verbindet Schlaf- mit Wohnräumen. Er lässt sich wie eine Loggia öffnen.
zuweist, sondern darüber hinaus alle Funktionen in einer bestechend klaren räumlichen
Ordnung diszipliniert. Es strahlt eine virile Kompromisslosigkeit aus, die jede Form von
Heimelig keit vermissen lässt. Es besitzt nichts Feminines, nichts Bergendes, nichts Offiziell als Schiff deklariert, zahlte Halliburton am Ende der Passage eine seinem
Behütendes. So unkonventionell sich das Haus damit darstellt, so unkonventionell war Körpergewicht entsprechende Durchfahrtsgebühr von 36 Cent.
letztlich auch sein Bauherr: der Abenteurer Richard Halliburton (1900–1939). Nach einem Je halsbrecherischer und aufsehenerregender seine Aktionen wurden, um so mehr stand
Journalismus-Studium an der renommierten Princeton University zog es ihn in den Halliburton im Licht der Öffentlichkeit. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er sich zu
frühen 1920er-Jahren hinaus in die Welt. Anstatt sich einen lukrativen Job zu suchen, zu einem der gefragtesten und bestbezahlten Vortragsredner seiner Generation. Mitte der
heiraten und eine Familie zu gründen, wie es seine Kommilitonen taten und wie es seine 1930er-Jahre hatten ihn fast sechs Millionen Menschen sprechen gehört. Seine Bücher
konservativen Eltern für ihn vorgesehen hatten, ging er nach Europa, nach Nordafrika ver kauften sich glänzend. Ein Problem war nur, dass die vielen öffentlichen Auftritte, die
und Asien. In Ägypten schlief er eine Nacht auf der Spitze der Cheops-Pyramide. In Japan Halliburton zu absolvieren hatte, ihm immer weniger Zeit und Muße ließen, um an
bestieg er mitten im Winter den Fujiyama. Zurück in Amerika verarbeitete er die neuen Büchern zu arbeiten. Das Problem löste sich allerdings, als Paul Mooney
Erlebnisse seiner Reise in dem Buch „The Royal Road to Romance“, das über Nacht zu (1904–1939) um 1930 in Halliburtons Leben trat – als Ghostwriter und als Lebensgefährte.
einem Bestseller wurde und Halliburton international berühmt machte. Nur ein Jahr In beiden Funk tionen war Mooney ein kongenialer Partner. Dass er in beiden Funktionen
nach Erscheinen kam bereits eine deutsche Übersetzung mit dem Titel „Die Jagd nach der Außenwelt verborgen bleiben musste, störte ihn nicht. Wie Halliburton kam auch
dem Wunder“ auf den Markt. Da war Halliburton allerdings schon wieder unterwegs! Mooney aus mitt leren Verhältnissen und studierte zunächst Journalismus. Allerdings
Diesmal folgte er den legendären Irrfahrten des Odysseus durch die Ägäis und durch- brach er das Studium nach nur wenigen Semestern ab, um für einige Zeit nach Paris zu
schwamm nebenbei die 65 Kilometer lange Meerenge der Dardanellen, den sogenannten gehen. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in New York als Werbetexter, versuchte aber
Hellespont. Mit dem darauffolgenden Buch „The Glorious Adventure“, in Deutschland zugleich, sich als freier Autor und Fotograf zu etablieren. Mit der Weltwirtschaftskrise
erschien es unter dem Titel „Auf den Spuren des Odysseus“, wurde Halliburton 1929 zog es Mooney – wie viele andere auch – auf der Suche nach Arbeit an die
endgültig zur Legende und für hunderttausende kleine und große Jungen auf der ganzen Westküste. Ob sich Mooney und Halliburton zu dieser Zeit bereits kannten, wissen wir
Welt zum Idol. Weitere Bücher, aber vor allem weitere Abenteuer folgten: die Besteigung nicht. Wo und wie sie sich das erste Mal trafen, ist bis heute ungeklärt. Fest steht aller-
des Popocatépetls in Mexiko, die Überquerung der Alpen mit einem Elefanten, die dings, dass sich Mooneys neue Heimat Los Angeles schon bald auch zu einem Fixpunkt
Umrundung der Welt in einem offenen Flugzeug und nicht zuletzt die im Leben von Halliburton entwickelte. In Laguna Beach, knapp 80 Kilometer südlich von
Durchschwimmung des Panamakanals, seine wohl publikumswirksamste Aktion. Los Angeles, erwarb der Abenteurer 1931 das spektakuläre Felsengrundstück, auf dem
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