Page 143 - AIT0316_E-Paper
P. 143
BDIA im
Gespräch mit:
Pierre Grün,
BDIA Rheinland-
Pfalz/Saarland
Möbel aus dem Garten Die GreenPointFassade im Minto Pflanzen im Innenraum, ja oder nein?
Grundsätzlich ja – als Akzent sowohl im Wohn- und
Einzigartiges Naturdesign bei Full Grown aus England Bettina Kratz, Innenarchitektin BDIA, kplus konzept, Objektbereich.
Als Kind beschäftigte Gavin Munro ein Bonsai Bäum- Düsseldorf Warum?
chen, das in der Form eines Stuhls gewachsen ist. Heute Die Länge der Mall aufzubrechen und an strategisch Grünpflanzen im Haus schaffen eine lebendige und
wachsen auf den Feldern seines Unternehmens Full wichtigen Punkten gestalterische Höhepunkte jenseits gesunde Atmosphäre – und sind Sauerstofflieferan-
Grown Hunderte Bäume in aufwendiger Pflege entlang der klassischen Mieterfassaden zu setzen, war erster ten. Auch frische Blumen liefern lebendige Energie
speziell angefertigter Gerüste zu einzigartigen Möbeln Entwurfsansatz für die fünf Highlightfassaden des Minto und setzen Farbakzente. Grün liegt als ruhigste Far-
heran. in Mönchengladbach. Und mit diesen das Konzept des be im Farbspektrum zwischen Gelb und Blau, wirkt
Die Technik zur Pflanzenveredelung, bei der Bäume Shoppingcenters – Home of 5 senses – auszudrücken, ausgleichend und steht für Harmonie und Liebes-
langsam während des Wuchses geformt werden, geht war der zweite. Der dritte – eine Bauherrenvorgabe: kraft des Herzens. Grün wird als Symbol der Hoff-
bis auf die Antike zurück und wurde über die Jahr - wenig pflegeintensives Grün innerhalb der Mall. Daher nung betrachtet und fördert die innere Zufriedenheit.
hunderte, vor allem während des Barocks, perfektio- setzten wir an einer Stelle gebündelt ein starkes grünes Werden Sie nach Konzepten für Grünpflanzen
niert. Munro ist der Erste, der dieses Wissen aus der Zeichen: die Greenpoint-Fassade – ein frisches, natürli- im Innenraum gefragt?
Gartenbaukunst für den Bau von Möbeln einsetzt. ches Entree zum Foodcourt. Die Vermietung der Einheit Im Objektbereich mache ich Vorschläge und lasse
Full Grown gibt an, dass die „Produktion“ der Stühle mit der grünen Fassade stellte kein Problem dar: Für die Dekoration und Bepflanzung in meine Planung
nur ein Viertel der Energie benötigt, die bei der den Taschenhersteller Liebeskind war es Liebe auf den miteinfließen.
Herstellung von konventionellen Stühlen benötigt wird. ersten Blick. Können Sie einen Trend erkennen?
Auch die Trocknung des Holzes in energieaufwendigen Im Entwurfsprozess wurde intensiv diskutiert, welches Ein Trend zur Farbe ist zu erkennen, auch ein Bezug
Trockenkammern wird umgangen. Bis zu zehn Jahren Grün sich eignet. Mittlerweile gibt es viele unterschied- zu Naturfarben und -materialien. Dabei werden
dauert es, bis zum Beispiel ein Stuhl ausgewachsen und liche Pflanzsysteme: Soil in a bag, Matten-, Taschen-, auch Wandflächen in Grün in allen Helligkeits-
ausgehärtet ist. Die Sitzfläche wird anschließend geglät- Plattensysteme oder mumifizierte Pflanzwände. Jedes stufen oder Pflanzen als beruhigende Zonen einge-
tet. Mit diesen Möbeln gelangt ein einzigartiges, indivi- hat Stärken und Schwächen. Manche senden sogar setzt. Auch Ausblicke in die Natur und die Jahres-
duelles Stück Natur in den Innenraum. Nachrichten, dass sie gedüngt werden müssen. zeiten erhöhen eindeutig das Wohlbefinden.
Im Minto haben wir uns letztendlich aus Gründen der Wer hat Sie als Vorbild inspiriert?
Pflegeleichtigkeit für eine Fassade aus mumifiziertem Eigentlich Architekten und Designer aus Frankreich,
Moos entschieden. Echtes Moos, bei dem die eigene die das Nebeneinander von Alt und Neu in Einklang
Feuchtigkeit durch umweltfreundliche, abbaubare bringen. Dazu haben mich besonders Philippe Starck
Präparierflüssigkeit ersetzt wird. Dadurch ist es haltbar und Didier Gomez durch meine Messebesuche und
und behält seine natürliche Ausstrahlung und Farbe. Kontakte in Paris inspiriert.
Wie bei Mumien eben, nur grün und wesentlich schö- Welche Aufgabe hat Sie zuletzt begeistert?
ner. Gegossen werden muss es nicht. Die Sanierung und Neugestaltung des Rathaus-
Da auf die Wasserzufuhr verzichtet werden konnte, war Bürgersaals in Traben-Trarbach. Das denkmalge-
die Umsetzung auch einfacher. Trotz allem war es kom- schützte Gebäude von 1904 kann nun wieder für
plex, den richtigen Lieferanten zu finden, da es sich vielfältige Veranstaltungen genutzt werden.
nicht um klassischen Fassadenbau, sondern um eine Welchen Ort haben Sie zuletzt für sich
Produktentwicklung handelte und unterschiedliche entdeckt?
Fachleute zusammengebracht werden mussten. Locarno und Cannobio am Lago Maggiore!
Malls, das sind in der Regel diese großen Dinger mit Warum engagieren Sie sich als Mitglied im
schlechter Luft und viel Gedränge. Die Erfahrungen mit BDIA?
Minto zeigen, dass Malls in Zukunft viel eher Lebens- Für mich ist es wichtig, sich zur Innenarchitektur zu
räume sein können als Kundendurchschleuseinrich- bekennen und das Fachgebiet mit den Kolleginnen
tungen. Das positive Feedback der Besucher zeigt, dass und Kollegen zu teilen, denn gemeinsamen Themen
dieser Aufwand honoriert wird. Und ich glaube, dass der und eine Akzeptanz. In der Öffentlichkeit kann man
Einsatz von grünen Wänden weiter steigen wird. Als nur in einem Berufsverband wie dem BDIA errei-
Gestalter sehen wir eine wunderbare Möglichkeit, echtes chen. Auch der Austausch mit Kollegen und
Grün in einer architektonisch und ästhetisch fassbaren Studenten macht mir Freude. 16 Jahre war ich als
Weise einzusetzen. Auch belegen Studien die positive Vorsitzender aktiv im Landesverband Rheinland-
Wirkung von Pflanzen auf Körper und Geist – Stichwort Pfalz/Saarland aktiv und bin heute noch als
Sauerstoffproduktion oder Staubpartikelbindung. Mit Vorstandsmitglied tätig.
dem Einsatz von Grün geht einfach immer der Entspan-
nungsfaktor einher – und wer freut sich nicht über diesen Pierre Grün ist Innenarchitekt und seit 1979 Mitglied im BDIA.
Mehrwert?
AIT 3.2016 • 143