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           Andor Ákos (1893-1940)                                                                                                    Ansichtskarte: Gasthof „Zum Löwen“






           Andor Ákos: Erinnerung als Auftrag


           Die AfD ist auf dem Weg zur zweitstärksten Kraft in Deutschland, eine rechtspopulistische   The AfD is on its way to becoming the second strongest political force in Germany
           Kanzlerschaft in Österreich nicht mehr undenkbar – und Forderungen nach einer „erinne-  and demands for a “turnaround in remembrance policy” are reverberating. In view of
           rungspolitischen Wende“ hallen nach. Angesichts dieser Entwicklungen erinnern wir als   these developments, we, as an architecture journal, remember Andor Ákos, the first
           Architekturfachzeitschrift an Andor Ákos, das erste „jüdische“ Opfer der nationalsozialis-  “Jewish” victim of Nazi persecution in Kempten, who is also considered the founder of
           tischen Verfolgung in Kempten, der zugleich als Begründer des süddeutschen, speziell des   the southern German, especially the Allgäu country-house style. Ákos, born in 1893 in
           Allgäuer Landhausstils gilt. Ákos, geboren 1893 im heutigen Zrenjanin, Serbien, damals   what is now Zrenjanin, Serbia, then part of the Austro-Hungarian Empire, grew up as a
           Teil des österreichisch-ungarischen Königreichs, wuchs römisch-katholisch auf. Jedoch   Roman Catholic. However, he converted to Judaism as a child after his mother married a
           konvertierte er als Kind zum Judentum, nachdem seine Mutter in zweiter Ehe einen Juden   Jew in her second marriage. He had to interrupt his studies of architecture at the Technical
           heiratete. Sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule München, unter dem   University of Munich, due to the First World War. Returned to Munich before the end of
           prägenden Einfluss seiner Professoren Friedrich von Thiersch und Theodor Fischer,   the war, he completed his studies in 1919 and moved to Kempten in 1920, acquired Ger-
           musste er aufgrund des Ersten Weltkrieges unterbrechen. Für seinen Kriegsdienst ehrte   man citizenship and reconverted to Catholicism. There he initially worked for six years
           ihn Kaiser Karl I. mit einer hohen Auszeichnung, die persönlich verliehen wurde. Noch vor   as an employed interior- and furniture designer before venturing into self-employment.
           Kriegsende kehrte er nach München zurück, schloss sein Studium 1919 ab und zog 1920   His architecture combines simple elegance with complex details – and had a stimula-
           nach Kempten, wo er die deutsche Staatsbürgerschaft erwarb und zum Katholizismus   ting effect at a time of architectural uncertainty regarding style. His flair for combining
           rekonvertierte. Dort arbeitete er zunächst sechs Jahre als angestellter Innenarchitekt und   materials was a defining feature of the Allgäu country-house style. In 1933, Ákos had to
           Möbeldesigner, ehe er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Zu seinen frühen Arbei-  publicly defend himself against defamation as a foreigner in the Allgäuer Tagblatt. Com-
           ten zählen die Friedenskirche Christi Himmelfahrt (1973 abgerissen) und eine Reihe von   petitors had spread rumours about his origin. These events probably led to the architect
           Villen rund um das Haubenschloss, die 1927 fertiggestellt wurden – mehr dazu auf Seite   joining the KDAI (German Association of Architects and Engineers). His work, however,
           25. Diese Kemptener Siedlung zeigt bis heute eindrucksvoll die Handschrift Ákos’. Seine   was unaffected by the new centralized power. In 1934, his first wife died; two years later,
           Architektur vereint schlichte Eleganz mit komplexen Details – und wirkte vorwärtstrei-  he married Gertrud Schenk, a German. In 1939, Ákos was drafted into the German army
           bend in einer Zeit der architektonischen Stilunsicherheit. Bereits hier wird sein Gespür für   as a company commander. When his records from the First World War were reviewed
           Materialkombinationen deutlich. Diese sind bestimmendes Merkmal des Allgäuer Land-  in 1940 for his planned promotion to captain, his Jewish background was uncovered
           hausstils, den er 1929 mit dem Gasthof „Zum Löwen“ in Oy-Mittelberg, einschließlich der   and his marriage to an “Aryan” considered a serious offence. Ákos was given the choice
           Einrichtung, ganzheitlich begründete. 2013 wurde der Abriss des Gebäudes beschlossen,   between concentration camp, execution or suicide. He chose to end his own life and died
           um dem neuen Rathaus der Oberallgäuer Gemeinde (s. AIT 12.2024, S. 118) Raum zu   in Vienna. In his short 20-year career, the architect, interior designer and artist left behind
           geben. 1933 musste sich Ákos im „Allgäuer Tagblatt“ öffentlich gegen die Diffamierung als   around 250 buildings, including medical practices, office buildings, churches and other
           Ausländer verteidigen. Konkurrenten hatten Gerüchte über seine Herkunft gestreut. Ver-  public buildings. His work was cut short much too early by the upheavals of history.
           mutlich führten diese Ereignisse dazu, dass der bereits im BDA vertretene Architekt auch   www.stolpersteine-kempten.de/andor-akos
           dem KDAI (Kampfbund Deutscher Architekten und Ingenieure) beitrat. Seine Arbeit zeigte
           sich indes unbeeindruckt von der neuen Zentralgewalt. 1934 starb seine erste Ehefrau,
           ein tiefer Schicksalsschlag. Zwei Jahre später heiratete er die Deutsche Gertrud Schenk.
           1939 wurde Ákos als Kompaniechef in die Wehrmacht einberufen. Als 1940 seine Perso-
           nalakten aus dem Ersten Weltkrieg im Zuge der geplanten Beförderung zum Hauptmann
           überprüft wurden, stellte sich seine jüdische Vergangenheit heraus – entgegen seiner
           Annahme, dass die entsprechenden Unterlagen beim Brand des Wiener Justizpalastes
           1927 vernichtet worden waren. Seine Ehe mit einer „Arierin“ galt als schwere Straftat.
           Ákos wurde vor die Wahl gestellt: Konzentrationslager, Hinrichtung oder Suizid. Er wählte
           den Freitod, um sich seine Offiziersehre nicht nehmen zu lassen, und starb in Wien, wo
           er einst vor Kaiser Franz Joseph paradierte. Auch nach 1945 musste seine Witwe Anfein-                                    Villa in der Ueblherstraße, Kempten; Foto: Stephan Faulhaber
           dungen ertragen – von jenen, die für seinen Tod verantwortlich waren. 1970 emigrierte
           sie daher aus Deutschland. In seiner nur 20 Jahre währenden Schaffenszeit hinterließ der
           Architekt, Innenarchitekt und Künstler rund 250 Bauwerke, zu denen neben den genann-
           ten auch Arztpraxen, Bürogebäude, Kirchen und andere öffentliche Bauten zählen. Sein
           Wirken wurde viel zu früh durch die Verwerfungen der Geschichte beendet.                  sf

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