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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND PRESENTATION THEORIE • THEORY
punkt. So konzipierte MAST gemeinsam mit Fiction Factory für die Milan Design Week 2023 eine Aus-
stellung, die vor allem durch ihre Präsentationsmöbel bestach: Mit „Ri-tagliõ“ entwickelten die Amster-
damer ein modulares Wandpaneel aus CNC-Abfällen, das in Kombination mit farbigen, gespendeten
Acrylplatten nicht nur spannende Perspektiven und Lichtreflexionen ermöglichte, sondern selbst wieder
in den Kreislauf zurückgeführt werden konnte. Darüber hinaus wurde der Bodenbelag aus Teppich-
resten gebildet, und das Präsentationsmodul stammte aus dem Fundus des Rijksmuseums.
Künstliche Intelligenz: Daten als Gestaltungsfaktor
Von der Planung bis zur Umsetzung: KI wird zum Gamechanger. Nicht nur bei der Gestaltung der Aus-
Foto: Erik Lefvander, Stockholm -daten: Angebote, Inhalte und Interaktionen können dann maßgeschneidert und in Echtzeit an die indi-
stellungsfläche mit generativen Werkzeugen, sondern auch bei der Analyse von Besucherströmen und
viduellen Interessen der Messegäste angepasst werden – hyperpersonalisierte Erlebnisse entstehen und
machen den Besuch einzigartig. Die Herausforderung der Zukunft wird es jedoch sein, die Technik so
2024 in Shanghai wollte VAVE zum Nachdenken über die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Tier
Ressourcenschonend und kreativ: Surface Club von Lab La Bla • Resource-saving and creative einzusetzen, dass sie menschlich bleibt und nicht überfordert. Während des Xintiandi Design Festivals
anregen. Inspiriert von einem Teich, an dem sich Wild versammelt, kam dabei KI zum Einsatz, um die
Modular und flexibel: Messestand von bottega + ehrhardt • Modular and flexible Spiegelbilder der BesucherInnen kurzerhand in Tierbilder zu verwandeln. Zudem wurde ein 30-sekün-
diges, personalisiertes Video erstellt, das anschließend geteilt werden konnte.
Technologische Intelligenz: Verstärker für reale Erfahrungen
Pandemie und Klimakrise haben demonstriert, wie wertvoll flexible, hybride Formate sein können.
Nach dem Hype zeigt sich jedoch, dass sie sich nicht als Standard etabliert, sondern sich vielmehr als
wertvolles, ergänzendes Instrument erwiesen haben: Sie bieten einen Mehrwert, indem sie neue Ziel-
gruppen erreichen, den Zugang zu Inhalten erleichtern und die Reichweite der Messe über die Veranstal-
tung hinaus verlängern. Dennoch bleibt die physische Präsenz unverzichtbar, denn reale Begegnungen,
Foto: Constantin Meyer Fotografie, Köln künftig nicht darum, die Präsenzmesse komplett zu verdrängen, sondern digitale Tools wie Augmented
haptische Erlebnisse und spontane Gespräche lassen sich digital nicht vollständig ersetzen. Es geht also
Reality (AR), Virtual Reality (VR) und interaktive Displays gezielt einzusetzen. Die Zukunft liegt in der
intelligenten Verknüpfung von realen und digitalen Erlebnissen, die das Beste aus beiden Welten vereint.
Erfolgreiche Messekonzepte sind zudem nicht nur einmalige Events, sondern 365 Tage im Jahr aktiv und
Künstlerische Intelligenz: Narrative durch Kunst
Circolara von MAST überzeugt mit wenigen Mitteln. • Circolara impresses with few resources. binden die Teilnehmenden kontinuierlich über digitale Plattformen und Kanäle ein.
Kunst ist ein starkes Medium, um Geschichten zu erzählen. Nicht umsonst haben aufsehenerregende
Kooperationen zwischen Kunstschaffenden und Marken mittlerweile eine lange Tradition: Bekannte
KünstlerInnen sorgen nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern bieten auch neue ästhetische Erfahrungen,
testen die Grenzen der Markenwahrnehmung aus und erschließen damit neue Zielgruppen. Künstle-
rische Praktiken und Elemente der bildenden Kunst, der Skulptur oder der Performance können aber
auch bewusst in den Gestaltungsprozess integriert und das Publikum durch unerwartete Verbindungen
neu aktiviert werden. So wurde der Auftritt von Elastique. bei den Kölner PASSAGEN 2024 selbst zum
Kunstwerk: Das Team übersetzte die Thematik der permanenten Ich-Bezogenheit in eine interaktive,
kinetische Installation: Interessierte konnten sich zwischen zwei Cobots positionieren, die zwei Spie-
gelflächen in einer choreografierten Abfolge bewegten. Gekoppelt mit abgestimmten Klanglandschaften
wurde „Mirror Me“ so zur hypergeladenen Echokammer des jeweiligen Egos.
Urbane Intelligenz: Eroberung des öffentlichen Raums
Zunehmend verlagern sich Messeauftritte aus den traditionellen Hallen in den urbanen Raum. Damit
werden sie in Zukunft nicht nur zu funktionalen Erweiterungen, sondern auch zu interaktiven, sozialen
und gestalterischen Beiträgen des städtischen Lebens – wobei Mobilität, Flexibilität und der Dialog mit
der Umgebung eine zentrale Rolle spielen müssen. Diese Entwicklung vom monolithischen Messekon-
zept hin zu flexiblen, dezentralen Präsentationen bricht dabei mit klassischen Formaten und sorgt für
eine stärkere Verankerung im Alltag der Menschen: Der öffentliche Raum wird zur Bühne. Auch Mario
Cucinella Architects entwickelten zur Milan Design Week 2024 mit „Urban Mining. Design, Dismantle,
Disseminate“ eine Ausstellung im Innenhof des historischen Corriere della Sera, um die Menschen für
Foto: Filippo Ferrarese, Mailand Ausgangspunkt war ein einfaches, alltägliches Objekt: die Gemüsekiste. Sie diente als Baustein für eine
das Thema der zukünftigen Stadt aus einer regenerativen Perspektive zu sensibilisieren. Gestalterischer
urbane Kulisse, die auf- und abgebaut werden konnte und einen neuen Ansatz in der Stadtplanung
veranschaulichen sollte. (Diese und viele weitere Projekte sind auch in der nebenstehenden Publikation
112 • AIT 1/2.2025 beschrieben, die aktuell im Februar erscheint.)