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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND PRESENTATION LITERATUR • LITERATURE
Dear to Me – Peter Zumthor im Gespräch Architekturführer Deutschland 2022
Das waren noch Kultur-Hochzeiten in Präsenz mit Publikum! Von September 2017 bis Glücksschweinchenrosa ist die sechste Ausgabe des Architekturführers Deutschland.
Januar 2018 veranstaltete Peter Zumthor mit Künstlern und Kulturschaffenden seiner Die Farbe ist gut gewählt, denn die im Taschenbuchformat gesammelten Bauwerke zei-
Wahl hoch frequentierte Lesungen, Konzerte und Gespräche – mit Philosophen, Kura- gen, was trotz aufkeimender Pandemie hierzulande zwischen Ende 2019 und März
torinnen, einem Historiker, Komponistinnen, Autoren, 2021 realisiert werden konnte. Der von den freien Ku-
Fotografinnen, einem Sammler und einem Zimmer- ratoren und Publizisten Yorck Förster und Christina
mann. Ein Großteil der 17 Gespräche fand im Rahmen Gräwe sowie dem leitenden Direktor des Deutschen Ar-
der Ausstellung „Dear to Me“ statt, die der zeitgenössi- chitekturmuseums, Peter Cachola Schmal, herausgege-
sche Schweizer Architekt anlässlich des 20. Jubiläums bene Band macht Lust, die 98 bemerkenswerten Bau-
des von ihm erbauten Bregenzer Kunsthauses selbst kon- ten, städtebaulichen Lösungen, Plätze und Brücken eta-
zipiert hatte. So trugen seine Interviewpartner – darunter blierter Büros und vielversprechender Newcomer vor
Wim Wenders und Hélène Binet – durch Einblicke in ihre Ort in Augenschein zu nehmen. Sie zeigen die ganze
persönliche Gedankenwelt und Arbeitsweise live vor Ort Vielfalt des Wohnens, die Herausforderungen von
zur Ausstellung bei. Nachlesen lassen sich diese öffentli- Schulbauten und Kitas, Kulturstätten, auf deren regu-
chen Dialoge nun in 17 kleinen Heftchen. Das 18. im läre Bespielung man sich freuen darf, Büro- und Funk-
Schmuckschuber dokumentiert die von Zumthor gestal- tionsbauten sowie wirkliche Exoten, wie das Flussfrei-
tete Ausstellung in Text und Fotografien. In Zeiten eines bad im bayrischen Oettingen (Ja, es geht noch, in Flüs-
Pandemie-bedingten Überangebots an Onlineinterviews sen zu baden!),... Neubauten, Revitalisierungen, Um-
und -diskussionen schaffen die schmalen Druckwerke nutzungen und experimentelle Projekte, wie Florian
willkommene, dem Digitaltrend zuwiderlaufende Lesere- Naglers Materialforschungshäuser in Bad Aibling. Diese
fugien. Im obersten Geschoss des Kunsthauses zeigte das Bauwerke made in Germany basieren auf der Longlist,
Künstlerpaar Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger seinerzeit übrigens die Installation „Lun- die der Jury des DAM-Preises 2022 vorlag. Eigens gekennzeichnet sind die Shortlist-Pro-
genkraut“ – einen der Luft gewidmeten Garten: Die Luft schauen und atmen. Aus heu- jekte. Zwei Seiten mit Fotos, Plänen und kurzem Text dokumentieren jedes Werk. Und:
tiger Sicht gewinnt diese Arbeit eine ganz unerwartete Dimension. wa Ein QR-Code führt via Google Maps direkt zum Standort. Na dann: Los geht’s! wa
Dear to Me – Peter Zumthor im Gespräch Hrsg. von Peter Zumthor. Erschienen 2021 im Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich. Architekturführer Deutschland 2022 Hrsg. von Yorck Förster, Christina Gräwe und Peter Cachola Schmal. Erschienen 2021 im
Deutsch. 456 Seiten. 18 Hefte in Schuber. Format 12,5 x 21,0 cm. 150 EUR. ISBN 978-3-03942-009-4 Verlag DOM publishers, Berlin. Deutsch. 224 Seiten. Softcover. Format: 24,5 x 13,5 cm. 28 EUR. ISBN 978-3-86922-785-6
Die Hand vor Augen Mikro-Utopien der Architektur
In den goldenen Zeiten der BRD blühte auch die Kunst am Bau – an Berufsschulwän- Die Zeit der großen Architektur-Utopien ist vorbei! Die Geschichte der Architektur hat
den, im Sitzungssaal des örtlichen Rathauses und vor der städtischen Sparkassenfi- gezeigt, dass der Grat zwischen Utopie (Thomas Morus, 1516) und Dystopie (John Stu-
liale. Nicht alles, was damals an baubezogener Kunst entstand, fand Beifall. Gleich- art Mill, 1868) ein schmaler ist. Aber müssen wir uns deshalb ganz vom Utopie-Begriff
wohl war die Idee, Kunst im öffentli- verabschieden, wie die Vordenker der Postmo-
chen Raum für jeden zugänglich zu ma- derne in den 1960er-Jahren behaupteten? Die Ber-
chen und einen Teil der Bausumme liner Architekturwissenschaftlerin Sandra Meireis,
hierfür zu reservieren, sozialdemokra- frisch berufene Vertretungsprofessorin für Architek-
tisch und gemeinwohlorientiert. Heute turtheorie an der Staatlichen Akademie der bilden-
wird Kunst am Bau leider nur noch vom den Künste in Stuttgart, versucht mit ihrer Arbeit
Bund und von den Kirchen institutionell über „Mikro-Utopien der Architektur“ darauf eine
getragen. Dabei gäbe es reichlich Künst- neue Antwort zu finden. Unter Mikro-Utopien (San-
ler, die ihre Werke öffentlich zur Schau dra Meireis, 2016/19) versteht sie die ganze Band-
stellen würden und die ihre Kunst dem breite kleinerer und größerer Interventionen und
Rahmen der Architektur anzupassen Eingriffe in den städtischen Raum, die jenseits of-
verstehen, ohne das als Eingriff in ihre fizieller Planungen geschehen: die Eroberung eines
künstlerische Freiheit misszuverstehen. Restgrundstücks durch die Anwohner, die Aneig-
Wolf von Waldow ist so ein Künstler! nung öffentlicher Parkplätze oder auch die tole-
Seit vielen Jahren arbeitet der Berliner rierte Zwischennutzung leerstehender Immobilien
im Bereich der baubezogenen Kunst durch Akteure aus der Architektur- und Kultur-
und hat nun mit „Die Hand vor Augen“ szene. Im bürgerschaftlichen Engagement, das hin-
einen wunderbaren Katalog seines Schaffens vorgelegt. Von Waldows figürlich gepräg- ter all diesen – zumeist urbanen – Aktivierungsprozessen steht, sieht Meireis einen
ter Stil, der von Laubsägearbeiten und Silhouettendarstellungen inspiriert ist, hat neuen, gemeinsamen Gesellschaftswillen am Werk, der für sie letztlich den Begriff der
einen hohen Wiedererkennungswert. Dabei ist jede Arbeit auf den Kontext abge- (Mikro-)Utopie rechtfertigt. Ihrer Herleitung und ihren Ausführungen folgt man gern.
stimmt. Seinen Gegenständen nähert sich von Waldow mit Ironie, Witz und Hinter- Selbst die schwierigen Kapitel zur Ideen-geschichte und den philosophischen Grund-
sinn, aber niemals mit Häme. Zugleich besticht sein Werk durch Detailtiefe und Quer- lagen des Utopie-Diskurses meistert Meireis vorbildlich. Sie hat ein ernsthaftes Anlie-
verweise, die sich erst nach und nach enträtseln lassen. Der Katalog versucht nun, in gen und möchte dieses auch für Laien verständlich machen. So gelingt Architektur-
das Universum des Künstlers einzuführen. Dr. Uwe Bresan denken auf höchstem Niveau! Dr. Uwe Bresan
Wolf von Waldow: Die Hand vor Augen – Raumbezogene Arbeiten 2013-2021 Mit Texten von M. Weinland, Ch. Weller und D. Mikro-Utopien der Architektur. Das utopische Moment architektonischer Minimaltechniken Von Sandra Meireis. Erschienen
Spanke. Erschienen 2021 im Verlag Hyperzine, Hamburg. Format 21 x 21 cm. 118 Seiten. Deutsch. 25 EUR. ISBN 978-3-948127-25-1 2020 im Verlag Transcript, Bielefeld. Format 13,9 x 22,6 cm. 330 Seiten. Deutsch. 35 EUR. ISBN 978-3-83765-197-3
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