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Philipp Vögele
AKUSTIK UND
2013–2015 Studium Wirtschaftswissenschaften, Universität Hohenheim
2015–2019 Bachelorstudium Architektur und Stadtplanung, Universität
ÄSTHETIK
Stuttgart seit 2019 Mitarbeit bei Birk Heilmeyer und Frenzel, Stuttgart
IM EINKLANG
Man könnte sagen, wir haben gespielt nach Johan Huizingas Theorie. Wir mussten ent-
wurfstechnisch spielen, um zu einem Produkt zu kommen und so dann auch die Quali-
täten beziehungsweise die Bedeutung der Arbeit herauszufinden. Zuerst entstehen
Räume, Orte der Gegensätzlichkeit. Diese definieren sich als Raum ohne Funktion, ohne
Kontrolle und vor allen Dingen ohne Ordnung. Der Ort widersetzt sich jeglicher Funktion
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und jeglichem Bezug zur bestehenden Gesellschaftsordnung. Wir sehen in der Arbeit eine
Annäherung an etwas konzeptionell räumlich Ungewöhnliches und Unerwartetes. Also dichten und transparenten Akustikstoffen.
als einen Gegenort zum Gewohnten. Man könnte auch sagen: das Schaffen von anderen Jetzt noch vielseitiger – dank dem neuen
Räumen. Nach dem Philosophen Michel Foucault sind andere Räume Orte, in denen die Vorhangstoff SINFONIACOUSTIC.
von der Gesellschaft aufgestellten Normen unterlaufen werden.
Der Zweck des Andersseins birgt die Chance neuer Denkansätze
Durch das Fehlen des normativen Denkens werden kulturelle, soziale und politische
Strukturen einer Gesellschaft hinterfragt. Ziel ist es, in einem Raum und damit in einem
Ort keinen anderen Zweck zu sehen als den des Andersseins. Auf diese Weise folgt er
keiner Konvention und fordert die Wahrnehmung heraus. Wir setzen uns selbst der Über-
forderung, die dieses Bild oder die Installation hervorbringt, aus. Es soll uns zwingen,
den gewohnten Raum mit anderen Augen zu betrachten. Wer könnte in solchen Räumen
leben oder sie nutzen? Wir stießen in diesem Zusammenhang auf eine Theorie Huizingas,
die des Homo ludens – des spielenden Menschen – und waren der Auffassung, dass die
Gesellschaft, die frei von jeglicher Arbeit und Zwängen ist, einen Raum dieser Art erschaf-
fen könne. Dieses Bild ist vielleicht sogar das Sinnbild für einen Ort dieses Homo ludens.
Möglicherweise also eine Art Lustgarten für den Homo ludens. Uns ist während des freien
Entwurfsprozesses unserer Arbeit klarer geworden, dass man immer mehr in diesem Bild
sehen kann. Es bietet Freiraum für viele Interpretationen und Geschichten. Wir finden,
dass genau diese Erkenntnis die größte Qualität der Arbeit darstellt und sich eine genaue
Spezifizierung dahinter zurückstellen sollte. In unserer Arbeit spielt die Kontingenz eine
zentrale Rolle. Kontingenz ist in der Philosophie und Soziologie ein gebräuchlicher Be-
griff: Kontingenz operiert auf einer anderen Ebene als der Zufalls und die Wahrschein-
lichkeit. Sie ist nach Luhmann etwas, was weder notwendig noch unmöglich ist; was also
so, wie es ist, sein kann, aber zugleich auch anders möglich wäre. Der Begriff bezeichnet
mithin etwas Gegebenes – etwas zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Fantasiertes –
im Hinblick auf das mögliche Anderssein. Er bezeichnet Gegenstände im Horizont mög-
licher Abwandlungen. Selbst die Wahrnehmung der Welt ist an sich kontingent.
Kompositionen aus Fragmenten überraschen die Wahrnehmung
Die theoretische Ausarbeitung des Projektes ist unseren Gedanken und den Intentionen
entsprungen, eine inhumane, überfordernde Architektur zu schaffen. Innerhalb des freien
Entwurfsprozesses, frei von gewöhnlichen, kontextuellen und vorgegebenen Einflüssen –
gesteuert lediglich von einer Idee, ist es auch für uns sehr beeindruckend, welche Band-
breite und wie viel Spielraum für die Wahrnehmung und die Interpretation in der Arbeit
geschaffen werden. Keiner kann von sich behaupten, seine Wahrnehmung sei die einzig
mögliche und richtige. Der Entwurf entfernte sich somit von der anfänglichen Aufgaben-
stellung, Schönheit zu „produzieren“. Für uns kristallisierte sich im Laufe der Arbeit her-
aus, dass es vielmehr um das „Produzieren“ von Räumen geht. Zu Beginn des architek-
tonischen Schaffensprozesses stand das Entwerfen, bei dem die – in unserem Fall – Ar-
chitekten sich ganz bewusst in den Zustand der Spielenden begeben haben. Somit wurde
die Möglichkeit geschaffen, dass das Entwerfen als ein Akt der Komposition von Frag-
menten und ein Akt des Hervorbringenden sowie der Raumwerdung anzusehen ist. Auf
diese Weise entstand unsere Interpretation der Überforderung. Sie wurde bewusst ein-
gesetzt, um eine neue Art von Wahrnehmung des Raumes und neue Räume an sich zu
schaffen. Die Überforderung war und ist gleichzeitig Ausgangspunkt und Wirkung dieser
neuen Räume. Räume, die keine Assoziation mehr mit dem Gewohnten zulassen und
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