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SERIEN LEHRJAHRE BEI ... • WORKING AT ...
r Welche im Studium erworbenen Fähigkeiten kommen Ihnen dabei zugute? Und
was ist im Berufsleben vollkommen neu, besser, anders oder ungewohnt?
Im Studium wird der Fokus auf den Entwurf gelegt, alles andere ist meist Nebensache.
Im Job ist der Entwurf, wenn man nicht gerade an einem Wettbewerb arbeitet, nur ein
sehr kleiner Teil des eigentlichen Prozesses. Somit lernt man stetig weiter. Mit abge-
schlossenem Studium ist man definitiv noch keine Koryphäe auf einem Gebiet. Generell
ist Architektur so weit gefächert, dass man vermutlich sein ganzes Arbeitsleben im Lern-
prozess bleibt. Auch die Software ist von Büro zu Büro unterschiedlich und wird darüber
hinaus verschieden genutzt. Ich habe in meinem Studium ArchiCAD und Vectorworks
gelernt und gegen Ende hauptsächlich mit Vectorworks gearbeitet. Als ich bei Franz&Sue
anfing, musste ich mich wieder in ArchiCAD einarbeiten. Durch die Unterstützung im
Team und Fortbildungen kann ich inzwischen sehr gute Fertigkeiten im Vergleich zum
Studium vorweisen, wo man meist nicht alles ausschöpft, was ein Programm bietet.
Foto: Davoid Schreyer, AT-Graz r Welche Franz&Sue-Gebäude zählen denn zu Ihren persönlichen Highlights?
Der Stadtelefant ist für mich schon ein besonderes Gebäude. Ich verbringe viel Zeit
darin. Es ist meiner Meinung nach einfach ein gelungenes Haus, und ich mag die Stim-
mung dort – die große Freitreppe innerhalb unseres Büros, die gemütliche Küche, aber
auf den Platz hinaustreten kann. Ansonsten bin ich ein großer Fan von der Volksschule
Julia ist ein großer Fan der Volksschule Puntigam bei Graz, die Franz&Sue 2022 fertiggestellt haben. auch im Erdgeschoss das Lokal „Mimi“ mit einer öffenbaren Glasfront, durch die man
in Puntigam bei Graz. Wir haben dorthin eine Exkursion gemacht, und ich war einfach
begeistert von den großen runden Oberlichtern, den raumteilenden Vorhängen, dem
vielen Holz und den gut ausgewählten Materialien. Da ich mit meinem Team, wie ge-
sagt, ebenfalls gerade an einer Volksschule arbeite, ist das Projekt in Puntigam immer
wieder eine Inspirationsquelle.
r Das Leben und Arbeiten im Ausland bringt viele interessante Aspekte, Herausfor-
derungen und kulturelle Unterschiede mit sich. Auf welche sind Sie gestoßen?
Da Österreich ja schon sehr nah an Deutschland liegt und vieles hier einfach sehr ähn-
lich ist, musste ich mich nicht vollkommen umgewöhnen. Zudem ist Wien eine interna-
tionale, große Stadt. Es fühlt sich dort ähnlich wie in jeder deutschen Großstadt an. Die
Arbeitsweise ist, denke ich, von Büro zu Büro unterschiedlich und lässt sich nicht gene-
rell vergleichen. Was aber definitiv anders ist, sind die Normen, Richtlinien und ein paar
architektonische Fachbegriffe. Die Parapethöhe ist beispielsweise die Brüstungshöhe.
Ein paar mehr oder minder lustige Worte oder Redewendungen habe ich mir bereits
angeeignet, zum Beispiel „das geht sich nicht aus“, was so viel heißt wie „das passt
nicht, das funktioniert nicht“. Oder „geh bitte“, wenn ArchiCAD mal wieder nicht das
tut, was man will, zum Beispiel das Stiegen-Tool, auf Deutsch das Treppen-Tool. So groß
sind die Unterschiede dann aber auch nicht.
Das Landesleitspital Liezen in der Steiermark soll ein optimal belichteter Komplex der kurzen Wege werden, ... r Das historische Zentrum von Wien gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Darunter
mischt sich eine lebendige aktuelle Architekturszene. Ein Mekka für ArchitektInnen?
... dieser fügt sich in die Landschaft und resultiert aus einem 2022 gewonnenen Wettbewerb. Schöne Städte mit einer historischen Innenstadt sind immer inspirierend für Architek-
tInnen, KünstlerInnen und Co. Es gibt derzeit aber auch viele neue Wohnbauprojekte
und so bietet sich für Architekturbüros die Möglichkeit, die Stadt in ihrem aktuellen
Wachstum mitzugestalten. Wir realisieren derzeit an drei Standorten sehr unterschied-
liche Wohnbauten mit jeweils anderem, innovativem Themenfokus. Im Sonnwendvier-
tel, das bis vor kurzem noch Bahnhofsareal war und wo sich das Büro von Franz&Sue
befindet, reiht sich ein Neubau an den nächsten. Das ist der komplette Kontrast zur hi-
storischen Innenstadt. Hier merkt man, wie unterschiedlich Wien sein kann, wie viele
Facetten die Stadt hat, und wie sie dadurch lebt und niemals uninteressant wird.
r Und worin liegt für Sie persönlich – in Ergänzung zu Architektur und Städtebau –
die besondere Lebensqualität der österreichischen Hauptstadt?
Wien ist für mich eine wunderbare, lebendige, fluktuierende Stadt, die mich mitreißt
und wachrüttelt nach der langen Zeit in Dresden. Es gibt tolle kulturelle Angebote, eine
Renderings: ARGE Franz&Sue/Maurer&Partner erholungsgebiet, den Donaukanal und die Heurigen in den Weinbergen, wo man einen
große Bandbreite an Museen, Ateliers, die Wiener Cafés und Bars, die Donau als Nah-
„Spritzer“ bei Sonnenuntergang genießen kann. Wien steht als Stadt auch ganz für sich,
und es gibt dort wunderbare Menschen! All das macht die Stadt aus und lässt mich ganz
vergessen, dass ich „so weit“ von zu Hause entfernt bin, weil ich mich in Wien einfach
sehr wohl fühle. Manchmal fühlt es sich am Wochenende an, als sei man im Urlaub.
042 • AIT 6.2023 Immer wieder entdecke ich neue schöne Ecken.