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Foto: ATELIER n.4, Flöha / OT Falkenau  Barbara Graupner und Marta Quilis Juan                                            Foto: Ernesto Uhlmann, Chemnitz


                                 BG: 1987 Designstudium an der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg 1991 freischaffend 2006 gemeinsam mit Mario
                                 Graupner Gründung des ATELIER n.4 – ein interdisziplinäres Büro für Innenarchitektur, Ausstellungen und Grafikdesign in Flöha
                                 MQJ: 2017 Innenarchitekturstudium an der Burg Giebichenstein in Halle seit 2018 Mitarbeit bei ATELIER n.4 in Flöha






















            Foto: Felix Meyer, Bayreuth                                                                                               Foto: Ralph Kunz, Chemnitz






             Geschmackvolles Markthaus und Bistro: The Cook Family (1) • Tasteful market house and bistro: The Cook Family (1)  Besuchs- und Informationszentrum in der Hartmannfabrik (2) • Information centre in the Hartmannfabrik (2)



             C  hemnitz, die drittgrößte Stadt Sachsens, ist geprägt vom industriellen Aufschwung   Lichtkonzept sowie die gesamte Innenarchitektur zu einer Einheit. Es gibt viel Freiraum für
                                                                          temporäre Nutzungen und Veranstaltungen. Wer noch länger in Chemnitz bleiben möchte,
                des 19. Jahrhunderts, von urbanen Veränderungen und architektonischer Vielfalt. Die
             Stadt erzählt ihre Geschichte in ihren Straßen, Gebäuden und Denkmälern: Renaissance,   kann sich hier umfassend über die Projekte des Kulturhauptstadtjahres informieren.
             Gründerzeit, Jugendstil, Moderne und Ostmoderne vereinen sich hier zu einem einzigar-  r 11:30 Uhr — In wenigen Minuten erreichen wir das Stadtzentrum: Ein Spaziergang
             tigen architektonischen Mosaik. Einst als „Manchester Sachsens“ bekannt, war Chemnitz   führt uns zu den architektonischen Highlights der Ostmoderne, und wir sehen uns die
             ein bedeutendes Zentrum der Textil- und Maschinenbauindustrie. Vor allem während der   prägnantesten Gebäude an – wie etwa das Congress Hotel und die Stadthalle (3) in
             Industrialisierung erlebte die Stadt ein rasantes Wachstum. Doch der Zweite Weltkrieg hin-  der Theaterstraße 3. Das Congress Hotel ist mit 97 Metern Höhe und 26 Geschossen das
             terließ tiefe Wunden: Große Teile der Stadt wurden zerstört, und die Nachkriegsarchitektur  höchste Gebäude der Stadt. Es wurde von 1969 bis 1974 vom Architekten Rudolf Weiser
             prägt bis heute das Stadtbild. Nach der Wiedervereinigung litt Chemnitz unter einem star-  als Interhotel „Kongreß“ erbaut und ist nun Teil eines Komplexes, zu dem auch die Stadt-
             ken Bevölkerungsrückgang und stand oft im Schatten von Dresden und Leipzig. Das Jahr   halle mit ihrer markanten Fassade sowie verschiedene gastronomische Einrichtungen und
             2025 markiert nun einen Wendepunkt: Mit dem Titel Kulturhauptstadt Europas unter dem   eine Parkanlage gehören. Die eindrucksvolle Fassade der Stadthalle, deren Formsteine
             Motto „C the Unseen“ rückt Chemnitz ins Rampenlicht. Dieses Motto lädt dazu ein, das   nach Einbruch der Dunkelheit beleuchtet werden, geht auf den Bildhauer Hubert Schie-
             Unsichtbare und Unbekannte der Stadt zu entdecken. Es ist eine Einladung, die verbor-  felbein zurück. Beeindruckend sind auch die charakteristische Strukturdecke und die fünf
             genen Schätze, die kulturelle Vielfalt und die Geschichten, die Chemnitz zu bieten hat, zu   großen, kunstgeschmiedeten Stahltüren, die ins Foyer führen. Heute zählt der Komplex
             erleben. Wie andere ehemalige Industriestädte hat auch Chemnitz die Chance, sich durch   zu den bedeutenden Zeugnissen der DDR-Moderne und steht unter Denkmalschutz. Das
             Kultur und Architektur neu zu definieren und BesucherInnen nachhaltig zu beeindrucken.   gegenüberliegende Karl-Marx-Monument (4) in der Brückenstraße 10 des Bildhauers Lew
                                                                          Jefimowitsch Kerbel bildet zusammen mit der Schrifttafel des Bildhauers Volker Beier und
             Samstag: Auf den Spuren von Moderne und Ostmoderne           des Schriftgestalters Heinz Schumann am dahinterliegenden Gebäude (der sogenannten
                                                                          Parteisäge) sowie den umliegenden Freiflächen ein Kulturdenkmal von baukünstlerischer
             r 09:00 Uhr — Wir starten den Samstag mit einem ausgiebigen Frühstück bei The Cook   und zeitgeschichtlicher Bedeutung.
             Family (1) in der Zschopauer Straße 209. Das ehemalige Pumpwerk liegt zwar etwas   r 12:30 Uhr — Gleich um die Ecke befindet sich das smac – Staatliches Museum für
             außerhalb des Zentrums, aber die von studio2architekten neu gestaltete Location ist zum   Archäologie Chemnitz (5) am Stefan-Heym-Platz 1. Das von Erich Mendelsohn entworfe-
             Brunchen immer ein Erlebnis. Ein genussvoller Start in den Tag gelingt auch im Bistro La   ne Gebäude ist ein Meisterwerk der Architektur und wurde 1930 als Kaufhaus Schocken
             Bouchée in der Inneren Klosterstraße 9, direkt in der Innenstadt.  errichtet – damals eines der schönsten Warenhäuser Deutschlands. Der Bau besticht durch
             r 10:30 Uhr — Anschließend besuchen wir die Hartmannfabrik (2) in der Fabrikstraße 11,   seinen besonderen Grundriss, die Stahlskelettbauweise und die für Gebäude der Moderne
             die von ATELIER n.4 als Informations- und Empfangszentrum der europäischen Kultur-  typische Vorhangfassade. Neben der archäologischen Dauerausstellung sind hier zudem
             hauptstadt 2025 neu konzipiert wurde. 1864 erbaut, war sie einst Teil des weltweit erfolg-  Ausstellungen zu Mendelsohn, dem Kaufhauskonzern Schocken und dem jüdischen
             reichen Maschinenbauunternehmens des „Lokomotivkönigs“ Richard Hartmann. So, wie   Unternehmer Salman Schocken zu sehen. Wir gehen auf jeden Fall in dieses wunderbare
             sie damals ein Zentrum des industriellen Fortschritts war, so ist die Hartmannfabrik heute   Gebäude, auch wenn wir vielleicht keine Zeit haben, die herausragende Dauerausstellung
             wieder ein Ort der Kreativität und Innovation und ein Symbol für die Wandlungsfähig-  von Atelier Brückner zu erkunden. Im Café nehmen wir einen kleinen Imbiss ein.
             keit der von vielen Transformationsprozessen geprägten Stadt. Die Geschichte des Gelän-  r 13:30 Uhr — Über die Straße der Nationen erreichen wir den Theaterplatz (6). Einge-
             des und des Unternehmers wird eindrucksvoll vor Ort vermittelt. Die Umgestaltung der   rahmt von der Oper Chemnitz, den Kunstsammlungen Chemnitz (König-Albert-Museum),
             Hartmannfabrik zum Besuchs- und Informationszentrum und die innenarchitektonische  dem Hotel Chemnitzer Hof sowie der Petrikirche ist der Theaterplatz ein weiteres beein-
             Gesamtplanung begleitet unser Büro seit 2022. Konzeptionell fügen sich das Farb- und   druckendes Architekturensemble. Die bürgerlichen Repräsentationsbauten Opernhaus

                                                                                                                          AIT 4.2025  •  037
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