Page 4 - AIT0419_Keramikfabrik
P. 4
SERIEN STUDENTENARBEIT • STUDENT WORK
gewünschte Struktur formen sollen. Während des Brennvorgangs brennen diese Stoffe
Foto: TU Berlin/PR/Oana Popa-Costea 48 Bachelorstudiengänge 1946 gegründet so entstandenen Backsteine stammen eindeutig aus derselben Familie, sind aller-
TU Berlin
rückstandslos aus und hinterlassen ihren plastischen Abdruck in der Oberfläche. Die
dings individuelle Einzelstücke. Durch diese Zufallstechnik erinnert das Endprodukt
an seine frühere weiche Beschaffenheit – gleichzeitig wird der Vorgang des Brennens
7 Fakultäten
88 Masterstudiengänge
sichtbar. Auch die Versuche zur Färbung werden geprägt durch die Unbeständigkeit.
34.253 Studierende
www.tu-berlin.de
Vereinfacht beschrieben ist eine Farbglasur aus einer Grundglasur und Farbpigmen-
ten aufgebaut. Diese Pigmente sind ausschlaggebend für die Farbigkeit nach dem
Brand. His torisch gesehen kommen hierfür Erden, Metalle oder Mineralien zum Ein-
satz. Als Folge dessen waren speziell gefärbte Glasuren oft eng mit der geologischen
Beschaffenheit ihrer Umgebung verbunden und sind typisch für ein Kulturgebiet.
Vermeintlicher Nachteil wird zur Entwurfsstärke
Heute werden Pigmente, sprich Oxide, Carbonate oder Farb körper, industriell herge-
stellt. Durch die konstante Reinheit der Verbindungen ist eine unbegrenzte Farbanzahl
und präzise Reproduktion möglich. Für den Umgang mit der Farbigkeit haben wir
einen sehr freien Ansatz gewählt. Er geht davon aus, sich von einer konkreten Farbe
und der absoluten Reinheit der industriellen Pigmente abzuwenden und sich über ei-
gene Versuche mit natürlichen Pigmenten einer Färbung anzu nähern. Dies geschieht
mit selbst gesammelten Proben aus lokalen Phänomenen wie dem Kohletagebau, ver-
ockerten Seen oder Mineralien. Damit wird die Farbgebung der Glasur vom Umland
bestimmt und befreit sich von eigenen ästhetischen Vorstellungen. Es wird eine Zeit-
losigkeit für die Glasur geschaffen. Die Unbeständigkeit der natür lichen Pigmente
bringt auch hier eine Art Zufall und Ungewissheit in den Prozess, welcher zur Folge
hat, dass das Ergebnis nicht unbegrenzt reproduzierbar ist. Diesen vermeintlichen
Nachteil sehen wir als Stärke für den Entwurf. Es wird eine Farbglasur geschaffen, die
in ihrer Nuance einmalig existiert. Im Entwurf wird darauf verzichtet, die Glasur als
verzierendes Element einzusetzen, da er als veredelter Rohbau gedacht ist. Die Flie-
sen dienen allein der feinen Ausformulierung aller Arbeitsinseln und der horizontalen
Lichtleitung. Sie sollen sich auf natürliche Weise im Entwurf wiederfinden und als zu-
rückhaltendes Element verstanden werden, das erst auf den zweiten Blick in seiner
Vielfältigkeit und Tiefe wahrgenommen wird. Der Rechercheteil unsere Masterarbeit
versucht bewusst nicht das Handwerk in seinem ursprünglichen Verständnis zu fei-
ern, sondern setzt sich damit auseinander, wie in einem industriellen und ökono-
misch sinnvollen Fertigungsprozess Gestaltung geschehen kann. Das bedeutet in un-
serem Fall, wie auf kosten- und zeitsparende Weise mittels eines Zufallsprinzips Indi-
vidualität und Tiefe für das Endprodukt geschaffen werden können.
O lel. The first part is a classic design project: a new factory building for the fa-
Alle Tonproben benötigen eine starke Nachverdichtung. • All clay samples require strong post-compaction. ur Master's thesis consists of two main topics, which we worked on in paral-
mily business B.O.S. Keramik, a manufacturer of ceramics in the historic "kiln
Mit Holz und Wachs werden einzelne Proben bestückt. • Individual samples are finished with wood and wax. town" of Velten. In close cooperation with the user, Ulrich Jahn, a company site was
designed which provides all the prerequisites for an effective and modern produc-
tion facility as well as a flexible adaptation of the production practice. In early do-
cuments on ceramic production, there are repeatedly drawings celebrating the kiln
as the vital centre of the world of ceramics. The intrinsic value of the kiln attracted
our attention and allowed us to recognise that this specific element has shaped
everyday work routines. In addition, it brings an architectural peculiarity to the
building and thus determines the original DNA of this typology. This component is
no longer relevant in today's ceramic production, as gas and electric kilns can be
installed as self-sufficient systems in plain rooms without connection to a chimney.
For the design, the architectural element of the space-filling kiln was now attribu-
ted an aesthetic function that refers to the historical typology, mode of production,
and working atmosphere. The tower-like rooms became part of the inner, spacious
supporting structure and additionally serve for guiding daylight vertically into the
inner part of the building. Suitable functions were developed for them; for exam-
ple, an archive room for brick and glazing samples was located in the centre of the
building, the function of which resembles a chamber of curiosities. To the right and
left of the archive room, the ground floor accommodates the two separate produc-
tion chains for glazing and clay processing with work niches at the sides and the
thermally separated gas and electric kilns at the head of the building. The upper
046 • AIT 4.2019