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SERIEN STUDENTENARBEIT •  STUDENT WORK



                                                                             gewünschte Struktur formen sollen. Während des Brennvorgangs brennen diese Stoffe
               Foto: TU Berlin/PR/Oana Popa-Costea  48 Bachelorstudiengänge  1946 gegründet  so entstandenen Backsteine stammen eindeutig aus derselben Familie, sind aller-
                                    TU Berlin
                                                                             rückstandslos aus und hinterlassen ihren plastischen Abdruck in der Oberfläche. Die
                                                                             dings individuelle Einzelstücke. Durch diese Zufallstechnik erinnert das Endprodukt
                                                                             an seine frühere weiche Beschaffenheit – gleichzeitig wird der Vorgang des Brennens
                                                        7 Fakultäten
                                    88 Masterstudiengänge
                                                                             sichtbar. Auch die Versuche zur Färbung werden geprägt durch die Unbeständigkeit.
                                    34.253  Studierende
                                                        www.tu-berlin.de
                                                                             Vereinfacht beschrieben ist eine Farbglasur aus einer Grundglasur und Farbpigmen-
                                                                             ten aufgebaut. Diese Pigmente sind ausschlaggebend für die Farbigkeit nach dem
                                                                             Brand. His  torisch gesehen kommen hierfür Erden, Metalle oder Mineralien zum Ein-
                                                                             satz. Als Folge dessen waren speziell gefärbte Glasuren oft eng mit der geologischen
                                                                             Beschaffenheit ihrer Umgebung verbunden und sind typisch für ein Kulturgebiet.
                                                                             Vermeintlicher Nachteil wird zur Entwurfsstärke

                                                                             Heute werden Pigmente, sprich Oxide, Carbonate oder Farb körper, industriell herge-
                                                                             stellt. Durch die konstante Reinheit der Verbindungen ist eine unbegrenzte Farbanzahl
                                                                             und präzise Reproduktion möglich. Für den Umgang mit der Farbigkeit haben wir
                                                                             einen sehr freien Ansatz gewählt. Er geht davon aus, sich von einer konkreten Farbe
                                                                             und der absoluten Reinheit der industriellen Pigmente abzuwenden und sich über ei-
                                                                             gene Versuche mit natürlichen Pigmenten einer Färbung anzu nähern. Dies geschieht
                                                                             mit selbst gesammelten Proben aus lokalen Phänomenen wie dem Kohletagebau, ver-
                                                                             ockerten Seen oder Mineralien. Damit wird die Farbgebung der Glasur vom Umland
                                                                             bestimmt und befreit sich von eigenen ästhetischen Vorstellungen. Es wird eine Zeit-
                                                                             losigkeit für die Glasur geschaffen. Die Unbeständigkeit der natür lichen Pigmente
                                                                             bringt auch hier eine Art Zufall und Ungewissheit in den Prozess, welcher zur Folge
                                                                             hat, dass das Ergebnis nicht unbegrenzt reproduzierbar ist. Diesen vermeintlichen
                                                                             Nachteil sehen wir als Stärke für den Entwurf. Es wird eine Farbglasur geschaffen, die
                                                                             in ihrer Nuance einmalig existiert. Im Entwurf wird darauf verzichtet, die Glasur als
                                                                             verzierendes Element einzusetzen, da er als veredelter Rohbau gedacht ist. Die Flie-
                                                                             sen dienen allein der feinen Ausformulierung aller Arbeitsinseln und der horizontalen
                                                                             Lichtleitung. Sie sollen sich auf natürliche Weise im Entwurf wiederfinden und als zu-
                                                                             rückhaltendes Element verstanden werden, das erst auf den zweiten Blick in seiner
                                                                             Vielfältigkeit und Tiefe wahrgenommen wird. Der Rechercheteil unsere Masterarbeit
                                                                             versucht bewusst nicht das Handwerk in seinem ursprünglichen Verständnis zu fei-
                                                                             ern, sondern setzt sich damit auseinander, wie in einem industriellen und ökono-
                                                                             misch sinnvollen Fertigungsprozess Gestaltung geschehen kann. Das bedeutet in un-
                                                                             serem Fall, wie auf kosten- und zeitsparende Weise mittels eines Zufallsprinzips Indi-
                                                                             vidualität und Tiefe für das Endprodukt geschaffen werden können.



                                                                             O  lel. The first part is a classic design project: a new factory building for the fa-
               Alle Tonproben benötigen eine starke Nachverdichtung. • All clay samples require strong post-compaction.   ur Master's thesis consists of two main topics, which we worked on in paral-
                                                                             mily business B.O.S. Keramik, a manufacturer of ceramics in the historic "kiln
               Mit Holz und Wachs werden einzelne Proben bestückt. • Individual samples are finished with wood and wax.  town" of Velten. In close cooperation with the user, Ulrich Jahn, a company site was
                                                                             designed which provides all the prerequisites for an effective and modern produc-
                                                                             tion facility as well as a flexible adaptation of the production practice. In early do-
                                                                             cuments on ceramic production, there are repeatedly drawings celebrating the kiln
                                                                             as the vital centre of the world of ceramics. The intrinsic value of the kiln attracted
                                                                             our attention and allowed us to recognise that this specific element has shaped
                                                                             everyday work routines. In addition, it brings an architectural peculiarity to the
                                                                             building and thus determines the original DNA of this typology. This component is
                                                                             no longer relevant in today's ceramic production, as gas and electric kilns can be
                                                                             installed as self-sufficient systems in plain rooms without connection to a chimney.
                                                                             For the design, the architectural element of the space-filling kiln was now attribu-
                                                                             ted an aesthetic function that refers to the historical typology, mode of production,
                                                                             and working atmosphere. The tower-like rooms became part of the inner, spacious
                                                                             supporting structure and additionally serve for guiding daylight vertically into the
                                                                             inner part of the building. Suitable functions were developed for them; for exam-
                                                                             ple, an archive room for brick and glazing samples was located in the centre of the
                                                                             building, the function of which resembles a chamber of curiosities. To the right and
                                                                             left of the archive room, the ground floor accommodates the two separate produc-
                                                                             tion chains for glazing and clay processing with work niches at the sides and the
                                                                             thermally separated gas and electric kilns at the head of the building. The upper


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