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DIN A4 Architektur
1993 Gründung der Architekturwerkstatt din a4 in Innsbruck 2013 Um-
benennung in DIN A4 Architektur ZT GmbH, Geschäftsführer Conrad
Messner (links) und Markus Prackwieser
Der transparente Treppenkern dient als Kommunikationsfläche. • The staircase serves as a communication area. Mooswände ergänzen das umfangreiche Grünkonzept. • Moss walls complement the green concept.
von • by DIN A4 Architektur, AT-Innsbruck
F ür eine zielorientierte Umsetzung des komplexen Projektes war eine frühzeitige Gestaltung weitergeführt. Die Bürobereiche sind als offene und kommunikative Arbeits-
Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Bauherrn, Planern und Firmen unabding-
welten samt großzügiger Mittelzonen konzipiert. Sie bieten modular nutzbare Räume, die
bar. Ebenso bedurfte es der Bereitschaft des Bauherrn, seinen Fokus nicht ausschließlich durch den Einsatz von hellen Holzbekleidungen und weiteren Naturprodukten zoniert
auf die Optimierung der unmittelbaren Baukosten zu legen, sondern die langfristigen und aufgewertet werden. In jedem Geschoss wurden Teilbereiche durch den Einsatz von
Lebenszykluskosten im Blick zu haben. Der Entwurf setzt auf eine klare Verbindung zum Filzpaneelen, Mooswänden oder Farben individuell geprägt. Der zielgerichtete Einsatz
öffentlichen Raum und schafft im Inneren neben einem großzügigen Entree und weitläu- der jeweiligen Materialien erfüllt einerseits einen hohen gestalterischen Anspruch und
figen Arbeitswelten zusätzliche Geschäftsflächen, einen Ausstellungsbereich sowie Ver- sorgt andererseits für eine gute Raumakustik in den offen konzipierten Bürobereichen.
anstaltungsräume. Bei der Tiefgarage wurde auf eine Maximierung der Fläche zugunsten
einer erweiterten Retentionsfläche und einer üppigeren Innenhofbepflanzung verzichtet. Transparenter Treppenkern als kommunikatives Herzstück
Die Holzhybridbauweise mit in Stahlbeton ausgeführten Treppenhäusern, eine Tragkon-
struktion aus Holz, vorgefertigte Fassadenelemente sowie die Verwendung von ressour- Große Bedeutung kommt dem Treppenkern zu, der dank seiner zentrale Lage und der über
censchonendem Furnierschichtholz reduzierten den Materialverbrauch und die Bauzeit alle Geschosse führenden, begrünten „Living Wall“ sowie den großzügigen Glasflächen
beträchtlich. Dank frühzeitiger Einbindung der Holzbaupartner durch ein vorgezogenes Blickverbindungen schafft und so das Herzstück des Gebäudes bildet. Die Living Wall setzt
Bestbieterverfahren in der Entwurfsphase konnten die konstruktiven Stahlanteile außer- sich aus hunderten von Einzelpflanzen – darunter Monstera, Efeutute, Flamingoblume,
dem auf ein Minimum reduziert werden. Nestfarn und Peperomien – zusammen. Alle Pflanzen sind in hinterlüftete Wandpaneele,
bestehend aus einem Aluminiumrahmen, der mit mehreren Vlieslagen und dem Pflanz-
Gebäude als innerstädtische Grüninsel substrat ausgekleidet ist, eingebunden. Die Bewässerung wird vollautomatisch mittels
eines Tröpfchenbewässerungssystems sichergestellt. Im Innenbereich wurde zusätzlich
Das Konzept der innerstädtischen Grüninsel sieht hier einen Gartenbereich im offenen ein genau auf die Pflanzen abgestimmtes, automatisches Beleuchtungssystem installiert,
Hof vor, der über die vertikale Fassadenbepflanzung mit abwechslungsreichen Grünflä- das den Tag-Nacht-Rhythmus der Pflanzen unterstützt. Die Wahl des richtigen Lichtspek-
chen auf den Terrassen und Dächern verbunden ist. Die straßenseitige Fassade wurde mit trums war hierbei entscheidend, ebenso wie die gleichmäßige Verteilung der Leuchten
hellen Faserzementplatten, integrierten Pflanztrögen und vereinzelten „Living Walls“ aus- und ein spezifischer Abstand zu den Pflanzen. Die Living Walls werden in regelmäßigen
geführt. Im sogenannten Stadtfenster sind mehrere Pflanztröge angeordnet, deren Begrü- Abständen viermal im Jahr gärtnerisch gepflegt und die technischen Systeme gewartet.
nung durch die seitliche, spiegelnde Metallbekleidung zusätzlich akzentuiert wird. Die
integrierten Pflanztröge sind wärmegedämmt und mit einer automatischen Be- und Ent- Terrassen und viel Grün auf den Dächern
wässerung ausgestattet. Je nach Ausrichtung werden die Bewässerungskreisläufe unter-
schiedlich angesteuert, damit die Pflanzen optimal versorgt sind. Die Bepflanzung wurde Das 7. Obergeschoss, das Dachgeschoss, bietet aufgrund seiner die Umgebung überra-
so gewählt, dass übers Jahr hinweg ein gleichmäßiger Bedeckungsgrad und wechselnde genden Höhe nach allen Seiten hin imposante Ausblicke. Es beinhaltet die Cafeteria
Blühzeiten erreicht werden. Durch großes Engagement des Bauherrn konnte zudem eine mit Dachterrasse sowie zwei großflächig verglaste Veranstaltungsräume. Die Dächer sind
Photovoltaikanlage an der gesamten Süd- und Westfassade realisiert werden. Hierbei wur- begrünt, unter anderem – passend zur exponierten Lage und zum Bergpanorama – mit
den Paneele als integraler Bestandteil der Fassade konzipiert, in dem Wissen damit Neu- alpiner Strauch-, Flechten- und Moosvegetation als eine Art Steingarten. Dank der Viel-
land zu betreten und einen komplexen Abstimmungsprozess zwischen Planer, Bauherrn zahl aller Maßnahmen beeinflusst der Gebäudekomplex der Tiroler Versicherung das Mik-
und Behörden durchlaufen zu müssen, um eine Genehmigung im Einklang mit den Nor- roklima hinsichtlich Überhitzung und Luftqualität im urbanen Raum positiv. Auch wird die
men erreichen zu können. Im Inneren des Gebäudes wurde der Holzbau als Leitbild der Raumtemperatur im Gebäude sommertags deutlich reduziert.
AIT 12.2025 • 119

