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BANKEN UND BEHÖRDEN • BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS














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                                                                               furniture, making it look unnatural.“

                                                                                              SCEG Architetti












            ANWALTSKANZLEI AGORA

            IN TURIN



            Entwurf • Design SCEG Architetti, IT-Turin


            In den Räumlichkeiten eines gründerzeitlichen Stadtpalasts am
            Corso Re Umberto in Turin erhielt die Anwaltskanzlei von Luca Ge-
            ninatti Saté einen zeitgemäßen Anstrich. Mit ihrem Entwurf zitie-
            ren Stefano Carera und Eirini Giannakopoulou, Partner im Archi-
            tekturbüro SCEG, Stilsprachen vergangener Tage und erinnern an
            die surrealistischen Kompositionen des Malers Giorgio de Chirico.



            von • by Kira Sophie Kawohl
            M    etaphysisch, ein bisschen traumähnlich. Die menschenleeren Arkaden und
                 Idealarchitekturen, die Giorgio de Chirico in seinen protosurrealistischen
            Stadtlandschaften erschuf, waren inspiriert von Nietzsches Beschreibung verlassener
            Plätze in Turin. Hier ein Torborgen, dort eine Säule, selten ein Mensch. Die Stim-
            mung, Farbwelt, Komposition und Symmetrie dieser Bilder hat die Architekten von
            SCEG nun beim Entwurf für das Interieur einer Turiner Anwaltskanzlei beeinflusst.
            In den ehemaligen Wohnräumen eines Palazzo aus dem 19. Jahrhundert wurde das
            Historische einer zeitgemäßen Inszenierung unterzogen; der Altbaucharakter mit Stil-
            zitaten jüngerer Epochen gepaart: etwas Art Deco, noch mehr Memphis. Beiden Strö-
            mungen ist die rhythmische Wiederholung archetypischer Formen gemein, die sich
            hier in den Möbelentwürfen und Flächenkompositionen niederschlägt. Zick-Zack-
            und Bogenformen konturieren Podeste und Sitzgelegenheiten aus grauem Polyuret-
            han. In den schwarz-weiß gemusterten Oberflächen der Tische und Sideboards – Ab-
            straktionen digitaler Störbilder – findet sich auch das gegenwärtige Zeitalter wieder.
            Ein dunkel gebeizter Holzboden betont Souveränität und begünstigt obendrein die
            Raumakustik im zentralen Besprechungsraum, der namensgebend für den Projektti-
            tel „Agorà“ war. Ringsherum sind alle weiteren Räume durch das Blitzblau des fort-
            laufend gegossenen Epoxidharzbodens verbunden. Auf den dunklen Wand- und
            Deckenflächen fungieren filigrane Metallprofile in der Kontrastfarbe Rosa als Kom-
            positionslinien. Mancherorts zeichnen sie stilisierte Architekturformen nach: Brücke,
            Säule, Kirchturm? Auch die Leuchten – selbstverständlich italienische Designs – sind
            durchweg geometrische Statements. Im Empfangsbereich herrscht elegante Turnhal-
            lenatmosphäre: So können repräsentative Räume aussehen in einer Zeit, in der
            Sneakers businesstauglich sind. Mit ihrer Hommage an die phantasievoll verspielten
            Designs der frühen 1980er-Jahre und die surrealen Szenen de Chiricos schufen die
            Architekten von SCEG eine zeitgemäße, lässig-souveräne Büroatmosphäre.

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