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Entwurf • Design WAW architects, BE-Sint-Genesius-Rode
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                                                                              Standort • Location Social Huis, Auguste Demaeghtlaan 36, BE-Halle
                                                                              Nutzfläche • Floor space 2.596 m 2
                                                                              Fotos • Photos Tim Van de Velde, BE-Brüssel
                                                                              Mehr Informationen auf Seite • More information on page 162




































                Neben dem lichten Mehrzwecksaal dient die ehemalige Kapelle als Versammlungsstätte mit besonderer Atmosphäre. • In addition to the multi-purpose hall, the former chapel serves as a meeting room full of atmosphere.

                von • by Christine Schröder
                U  rsprünglich waren in dem um 1900 erbauten Backsteingebäude Waisenkinder  Rezeption, Wartezone und Kinderspielecke. In diesem Bereich verwandelt ein großzü-
                                                                              giger Deckendurchbruch den vormals dunklen Raum in einen lichten zweigeschossi-
                   unter gebracht, später diente der Bau mit eigener Kapelle als Senioren- und
                Pflegeheim und seit kurzem residiert das Sozialamt der belgischen Stadt Halle im  gen Empfangsbereich mit vielschichtigen Blickbezügen. Von hier aus gelangt der Be -
                „Alten Waisenhaus“. Bereits 2008 hatten WAW architects den Wettbewerb zur umfas-  sucher zu den Beratungsräumen im Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss. Die
                senden Sanierung des imposanten Baus gewonnen. Nun konnten sie ihren Entwurf  Büro- und Besprechungsräume für die einzelnen Abteilungen der Behörde sind, mit
                umsetzen. Als Anlaufstelle für jegliche soziale Belange – von der Familienhilfe über  den nötigsten Wänden bestückt, als weitgehend offene Fläche im gesamten Haus ver-
                Mietfragen bis hin zur Schuldnerberatung – sollte sich das Haus offen für die Bürger  teilt. Einzig die Abteilungsleiter erhielten abgetrennte Büros in Form von transparen-
                der  Stadt  zeigen.  Ein  Teil  dient  zudem  als  Erweiterung  für  den  öffentlichen  ten Glaskuben. Hinzu kommen Treffpunkte für informelle Gespräche und innenliegen-
                Wohlfahrtsträger OCMW, der auf dem Grundstück nebenan seinen Sitz hat. Eine visu-  de Teeküchen, die vollflächig in kräftige Farben getaucht sind. Auf allen Geschossen
                elle Verbindung zwischen den beiden Einrichtungen war also durchaus gewünscht.  schaffen wohl durchdacht gesetzte, kräftige Farbakzente an Möbeln und Wänden ein
                Um das  zu erreichen,  wurde der Haupteingang  von der Straßenseite an die, in  freundliches Bild und helfen bei der Orientierung.
                Richtung der OCMW zeigende Seitenfassade im Nordosten verlegt. Der straßenseitige
                Zugang blieb bestehen und wird bei Bedarf für repräsentative Zwecken genutzt. Ein  Geschichte und Gegenwart ergänzen sich
                markanter, an das zweite Obergeschoss andockender Riegel fasst einen Mehr zweck -
                saal und überdacht den neu geschaffenen Zugang. Getragen von Sichtbetonstützen  Das zweite Obergeschoss beherbergt neben weiteren Büros zwei ganz unterschiedlich
                schiebt sich das neue Volumen am Bestand vorbei und ist von der Straße aus gut  geprägte Ver sammlungsstätten: In der ehemaligen Kapelle tagen heute die Mitarbeiter
                sichtbar. Rundum verglast ergeben sich vor allem bei Dunkelheit spannende Blicke  der benachbarten Wohlfahrtsbehörde. Abgesehen von notwendigen Sanierungs maß -
                auf die expressive Deckengestaltung des Saales.               nahmen und der technischen Aufrüstung blieb dieser Raum unangetastet und erzählt
                                                                              von der mehr als 100 Jahre alten Geschichte des Hauses. Direkt daneben befindet sich
                Zeitgemäße Dienstleistung hinter historischen Mauern          der Zugang zum bereits erwähnten Mehrzwecksaal. Der neu installierte Glasriegel
                                                                              bietet einen weiten Blick in den Straßenraum. Neben Sitzungen und Besprechungen
                Um den Charakter des historischen Bauwerks zu bewahren, wurde die Außenhülle  werden hier auch Veranstaltungen ausgetragen. Ihre Inspiration für die rautenförmige
                ansonsten zwar aufwendig, aber behutsam saniert. So ist beispielsweise die notwen-  Tragstruktur der  Verglasung fanden die Architekten in den historischen Bunt glas -
                dige Dämmung  zur energetischen Sanierung  von innen angebracht.  Zwei neue  fenstern der Kapelle. Das grafische Muster führten sie in den Wandpaneelen, die den
                Öffnungen – jeweils an den zuvor geschlossenen Seitenfassaden – sind als großforma-  Glas kubus zur Backsteinfassade abschirmen, fort. Die kreisrunden Aussparungen der
                tige Vitrinen ausgebildet und kündigen schon von weitem den Nutzerwechsel an. Die  Sichtbetondecke bedienen neben ihrer ästhetischen Präsenz auch rein funktionale
                gewünschte  Transparenz erschließt sich beim Betreten des Gebäudes,  wo den  Aspekte. So sind sie zum einen akustisch wirksam ausgebildet, zum anderen fassen
                Besucher ein offen und einladend gestaltetes Sozialamt erwartet. Den Grundriss  sie schlichte Beleuchtungsmodule. Und ganz nebenbei wurde durch die gestalterisch
                haben die Architekten komplett aufgebrochen und an das geforderte Raumprogramm  überzeugende Intervention auch noch Material gespart. Im Dachgeschoss bildet
                angepasst. Eine neu eingebrachte Struktur aus Beton und Stahl formt nun auf allen  schließ lich das Archiv den Abschluss der insgesamt eindrücklichen Transformation
                fünf Ebenen flexibel bespielbare Räume. Im  Zentrum liegt die Empfangshalle mit  hin zur attraktiven Anlaufstelle für die Bürger der Stadt.

                                                                                                                              AIT 12.2018 •  155
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