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Entwurf • Design Creus & Carrasco Arquitectos, ES-A Coruña
Bauherr • Client Stadt Lugo
Standort • Location Praza da Constituzion, ES-Lugo
Nutzfläche • Fllor space 2.725 m 2
Fotos • Photos Luis Díaz Díaz, www.luisdiazdiaz.com
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2009 gewannen die galizischen Architekten Juan Creus und
Covadonga Carrasco den Wettbewerb um die Umwidmung des
ehemaligen Gefängnisses von Jugo zum Kulturzentrum. Im vergan-
genen Jahr wurde das Centro Cultural O Vello Cárcere offiziell
eröffnet. Der behutsam sanierte Komplex lebt von seinen Gegen -
sätzen: von Enge und Weite, Offen- und Geschlossenheit, radikalen
Materialkontrasten, filigranen gusseisernen Elementen und massi-
vem Mauerwerk.
In 2009, the architects Juan Creus and Covadonga Carrasco of the
Spanish Galicia won the competition for the conversion of the for-
mer Jugo prison into a cultural centre. Last year, the Centro
Cultural O Vello Cárcere was officially opened. The gently renovat-
ed complex lives from its contrasts: narrow and vast, open and
closed, radially contrasting materials, filigree cast-iron elements
and very solid masonry.
Einst undenkbar: Öffnung in der Knastmauer • Formerly unimaginable: opening in the prison wall
von • by Annette Weckesser Absolut klar: strenge limitierte Materialien • Absolutely clear: strongly limited materials
V on dieser Freiheit konnten die früheren Insassen nur träumen! Heute ist der einstige
Gefängnishof des Kerkers von Jugo ein attraktiver, öffentlich zugänglicher, zu den
Straßen hin offener Platz. Nahtlos setzt sich das kleinteilige Pflaster des Hofes in den
Straßenraum fort. Die engen Zellen, in denen Gefangene ab 1878 gleich zu mehreren ein
tristes Dasein fristen mussten, wurden in Ausstellungskabinette transformiert. Auf drei
Geschossen legen sich diese Zellen halbkreisförmig um einen vormals düsteren, heute
lichtdurchfluteten Innenhof herum. Wertvolle bauliche Relikte brachten die galizischen
Architekten wieder zum Vorschein. Filigrane gusseiserne Stützen, Treppen und
Laubengänge stehen heute in starkem Kontrast zum undurchdringlichen Mauerwerk.
Fotos des Bestands – vor der Restaurierung – lassen erkennen, wie hoch der Sanierungs -
aufwand war. Creus & Carrasco Arquitectos erkannten die Stärke des einstigen
Zweckbaus und verwandelten diesen in einen strahlend weißen Kulturkomplex mit
Ausstellungs- und Seminar räumen, Werkstätten, einer Bibliothek, einem Auditorium mit
140 Plätzen sowie einem Café samt Dachterrasse. Das ursprünglich „extra muros“,
außerhalb der Stadt mauer, errichtete Gefängnis hat sich zu einer attraktiven Kultur-
adresse gemausert. Erlebbar ist heute eine Gegensätzlichkeit von Räumen – teils beäng-
stigend eng, teils hoch und weit. Neu geschaffene Durchbrüche und Blickachsen erzeu-
gen räumliche Bezüge und erleichtern die Orientierung. Präzise im Detail und reduziert
im Gesamtbild präsentiert sich das neue Ausstellungs- und Kulturzentrum der Stadt, die
knapp 50 Kilometer südlich von Bilbao liegt. Naturstein fasst Fenster- und Türlaibungen
ein und betont Gesimse, Geschoss decken, Gebäudekanten und Traufen in archaisch
wirkender Weise. Innen und außen heben sich diese Elemente vom fast klösterlich
wirkenden Weiß der Wände ab. Der dreiteilige Komplex verfügt über zwei im Gefängnis-
hof sitzende Bauteile. Neben dem Hauptbau mit dem Halbrund der Zellen gibt es ein
riegelförmiges Bauteil, den einstigen Servicetrakt. Ein zweiter Riegel, der einstige Justiz-
trakt, dockt vor der Gefängnismauer, Richtung Altstadt, an. In Letzterem ist heute der
Haupt eingang untergebracht. Alleine die Detaillierung des hölzernen Eingangsportals
lässt die akribische Planung der Architekten erkennen. Material setzen Creus & Carrasco
Arquitectos ebenso sparsam wie großzügig ein. Das heißt, die Material palette ist streng
auf wenige Werkstoffe limitiert, dafür werden diese räumlich dominant in Szene gesetzt:
Die Foyerebene ist komplett in weiß marmorierten Stein gehüllt. Darüber sitzen zwei
vollständig mit Holz ausgekleidete Geschosse in Form der Bibliothek und des
Auditoriums. Die Wirkung dieser Radikalität ist enorm. Zuoberst wurde der Bestand um
ein gläsernes Geschoss mit Cafeteria aufgestockt, in dem sich beide Materialien wieder-
finden. Weit öffnet sich der Blick von dort oben über die Stadt. Den Häftlingen des
Carcere blieb dieser zeitlebens verwehrt.
AIT 5.2018 • 139