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Aino und Alvar Aalto
Aino Aalto, geborene Mandelin, (1894–1949) Architektin und Gestalterin 1913–1920 Architekturstudium in Helsinki, Mitarbeit im Architekturbüro Gunnar Achilles Wahlroos Alvar Aalto
(1898-1976) Architekt, Stadtplaner und Gestalter 1916–1921 Architekturstudium in Helsinki 1923 Gründung eines Architekturbüros und Zusammenarbeit mit Aino, gemeinsam realisierten
sie unter anderem die Stadtbibliothek Viipuri sowie Möbel, Leuchten und Alltagsgegenstände ab 1940 Professur von Alvar Aalto am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge
Fotos: Maija Holma © Alvar Aalto Museum
Großzügige Verglasungen lassen viel Tageslicht hinein. • Generous glazing allows plenty of daylight to enter. In den Wartebereichen und Fluren ist Zitrusgelb die Leitfarbe. • Yellow is dominant in corridors and waiting areas.
von • by Ulrike Kunkel
D as ehemalige Lungensanatorium Paimio liegt auf einem sanft abfallenden Gelände kommen Pastelltöne in Grün, Blau und Gelb zum Einsatz. Auf die Gestaltung der Zim-
mer wurde besonders Wert gelegt: Sie waren für zwei PatientInnen mit jeweils eigenem
inmitten eines dichten Kiefernwaldes im Südwesten Finnlands. 1929 hatte sich das
Ehepaar Aino und Alvar Aalto mit ihrem Entwurf für ein markantes, vierflügeliges Gebäu- Schrank und Waschbecken geplant. Aalto konzipierte spezielle leise Becken, damit ein
de mit verbindendem Mittelteil, durchlaufenden Fensterbändern, großzügiger Dachter- Patient den anderen beim Waschen nicht störte; außerdem ein Heizungs- und Lüftungs-
rasse, Sonnenbalkonen auf allen Stockwerken sowie Platz für 286 Betten und zusätzliche system, das Zugluft minimierte und gleichzeitig die Luftzirkulation der sauberen Luft in den
Angestelltenwohnungen im Wettbewerb durchgesetzt. Die Räume des Sanatoriums sowie Zimmern garantierte. Dieses System wurde diskret ins Gebäude integriert, um störende
die gesamte Anlage sind ganz wesentlich auf Sonnenlicht, Luft und Ruhe ausgerichtet. Kanäle und Lüftungsschlitze zu vermeiden. Die Zimmerdecken waren in hellgrün gehal-
Denn in Ermangelung anderer Behandlungsmethoden mussten die Kranken – die zum ten, eine Farbe, die Aalto wählte, weil er annahm, dass sie eine beruhigende Wirkung
Teil viele Jahre blieben – täglich mindestens zwei Stunden auf den Terrassen liegen, tief auf bettlägerige PatientInnen hätte. Die Schränke hingen an der Wand, um die Reinigung
atmen und dabei schweigen. Und das sommers wie winters, bei bis zu –20 Grad, einge- darunter zu erleichtern. Geschwungene Treppenaufgänge, großzügige Erschließungen,
hüllt in Decken und Fellsäcke – Lesen war währenddessen untersagt. farbenfrohe Markisen und ein weitläufiger Garten sollten den Aufenthalt zudem so ange-
nehm wie möglich machen und die Heilung im günstigsten Fall positiv beeinflussen.
Frühes Beispiel für heilende Architektur Da die PatientInnen lange Zeit im Sanatorium verbrachten, herrschte eine ausgeprägte
Gemeinschaftsatmosphäre, befördert durch verschiedene Gemeinschaftseinrichtungen
Das Sanatorium ist ein frühes Beispiel dafür, dass Gesundheitsbauten neben einem hygi- und eigens angelegte Spazierrouten durch die umliegenden Wälder. Neben der Architek-
enischen auch einen ästhetischen Anspruch erfüllen können. Die Aaltos verfolgten den tur war das Ehepaar Aalto auch mit der gesamten Innenausstattung beauftragt worden.
Ansatz, durch eine besondere Architektur- und Innenarchitektursprache den Heilungs- Alle Einbauten wurden von ihnen geplant, ebenso wie sämtliche Leuchten und Möbel.
prozess zu unterstützen. Sie betitelten das Gebäude als „medizinisches Instrument“. In Der „Paimio Chair“ wurde sogar explizit für das Sanatorium entworfen. Seine spezielle
Paimio herrschen helle, freundliche Farben vor, die in Zusammenarbeit mit dem Künst- Form sollte den PatientInnen das Luftholen erleichtern. Anders als die Bauhaus-Stahlrohr-
ler Eino Kauria ausgesucht wurden. So empfängt einen in den lichtdurchfluteten Fluren möbel ist dieser Sessel aus Holz, da Stahl als zu kalt und abweisend für ein Sanatorium
nach wie vor Zitrusgelb, und in den damaligen PatientInnen- und heutigen Gästezimmern empfunden wurde. Holz, als warmes, weiches und anschmiegsames Material, sollte den
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