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BANKEN UND BEHÖRDEN • BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS
ARCHIV DER ZUKUNFT
IN LICHTENFELS
Entwurf • Design Peter Haimerl, München
Peter Haimerl schafft Provinzperlen! Der Münchner Architekt ist für
seine überraschenden Konzepte im ländlichen bayrischen Raum
bekannt. 2014 – ja, schon zehn Jahre ist es her! – realisierte er das
viel beachtete unterirdische Konzerthaus in Blaibach. 2023 eröffnete
in Lichtenfels sein Archiv der Zukunft: oberirdisch ein Stahl-Glas-Pa-
villon, davor zwei Weiden aus Stahl als Referenz an die Korbmacher-
stadt, unterirdisch ein wiederbelebter Keller in Rohbau-Ästhetik.
von • by Annette Weckesser
L ichtenfels in Oberfranken ist eine ehemalige Korbflechterstadt. Die handwerkliche
Kunst des Weidenflechtens hat die Stadt einst reich gemacht. Geschmückte Fassaden
spiegeln dies noch heute wider. Das Gebäude am Marktplatz 2 verfiel jedoch zusehends,
bevor es Günter und Robert Hofmann für ihr geplantes Archiv der Zukunft erwarben.
Die im Bereich der 3D-Metalldrucktechnologie tätigen Lichtenfelser Unternehmer wollten
damit die Möglichkeiten der Transformation des Ortes aufzeigen – von der Handwerk-
stradition zur Digitalisierung. Das Archiv der Zukunft sollte ein Aktions- und Kommu-
nikationsraum mit Büros, Ausstellungs- und Vortragsraum werden, wo Initiativen und
Zukunftsprozesse angestoßen werden. In Peter Haimerl fanden die beiden Unternehmer
ihren Architekten. Dieser ließ den nicht mehr zu rettenden Altbau abtragen. Eine massive
Sockelplatte zeichnet heute dessen Außenmaße nach, während sich ein neues, filigra-
nes Stahl-Glas-Gebäude an das benachbarte Fachwerkhaus schmiegt. Viel mehr als eben
jener Pavillon fallen die beiden davor „gepflanzten“, je 12 Meter hohen Weiden aus Stahl
ins Auge. Diese sind eine Hommage an die Korbmacherstadt und – zumindest von außen
betrachtet und mehr als die Architektur – die eigentlichen Erkennungszeichen des Archivs
der Zukunft. Entwickelt wurden die golden glänzenden Skulpturen mithilfe eines Wachs-
tumsalgorithmus und umgesetzt durch Vierkantrohre, robotische Schweißtechnik und
eine Beschichtung im Duplexverfahren. Subtil entsprechen die Umrisse der Stahlbäume
und des Neubaus dem früheren Volumen des Vorgängerbaus. Überraschendes tut sich im
Kellergeschoss auf. Denn dieses bildet atmosphärisch und in seiner massiven, bewusst
rohen Ästhetik eine gänzlich konträre „Unterwelt“ zum entmaterialisierten, gläsernen
Pavillon. Die Wände im Keller – rechts zu sehen der Vortragsraum – bestehen aus Bohr-
kernen, die während der Bauarbeiten zur Stabilisierung im Erdreich benötigt wurden. Die
umlaufende Maserung entstand durch Rotationen, durch die die Bohrhülsen aus der Erde
gezogen wurden: Kraftvoll und trotz modernster Technologie archaisch anmutend ist dies
ein weiteres, unter der Erde schlummerndes Exempel der Baukunst von Peter Haimerl.
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