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GESUNDHEIT UND WELLNESS • HEALTH AND SPA
UNIVERSITÄTS-KINDERSPITAL
IN ZÜRICH
Entwurf • Design Herzog & de Meuron, CH-Basel
Der Aufenthalt in einem Krankenhaus ist nie freiwillig und alles andere
als angenehm. Dass eine heilende Umgebung zur Genesung beitragen
kann, davon sind Jacques Herzog und Pierre de Meuron überzeugt
und haben sich in den letzten 20 Jahren speziell um diese Thematik
bemüht. Ihre Antwort präsentieren sie nach sechs Jahren Bauzeit mit
dem Kinderspital Zürich, das am 1. Oktober eingeweiht wurde und seit
Anfang November Geborgenheit, Wärme und Zuversicht vermittelt.
von • by Petra Stephan
D as größte Schweizer Spital für Kinder und Jugendliche liegt am Fuß des Burghölzli-
Hügels in Zürich-Lengg in unmittelbarer Nachbarschaft weiterer Spitalbauten aus
unterschiedlichen Epochen und umfasst zwei Gebäude, das Akutspital und das Gebäu-
de für Forschung und Lehre. Um Ersteres soll es hier gehen, ist der dreigeschossige
Betonskelettbau mit feingliedrigen Holzfassaden doch ein Paradebeispiel dafür, wie Archi-
tektur ihre heilende Wirkung entfalten kann – wenn man es richtig angeht. Sanft in die
baumbestandene Landschaft geschmiegt, funktioniert das Akutspital wie eine kleine Stadt:
Die medizinischen Bereiche sind die Quartiere eingeteilt, die durch Straßen und Plätze
miteinander verbunden sind. Ein Tor führt über einen runden, mit Bäumen bepflanzten
Hof zur Eingangshalle. Restaurant und Therapiebereiche mit eigenen Gärten grenzen an,
die „Hauptstraße“ führt zu hoch frequentierten Untersuchungs- und Behandlungsberei-
chen. Im ersten Obergeschoss befinden sich weitere Teile der Poliklinik, die Spitalschule,
die Apotheke sowie eine nach außen orientierte Bürolandschaft mit rund 600 Arbeitsplät-
zen. Ein dichtes Netz an Treppen erlaubt eine schnelle vertikale Verbindung zwischen den
einzelnen Bereichen. Im Dachgeschoss, dem ruhigsten Teil des Akutspitals, wohnen die
Kinder und Jugendlichen, die über Nacht oder länger im Spital bleiben müssen. Jedes der
114 (!) Zimmer ist als kleines Holzhaus mit eigenem Dach angelegt, in dem die Eltern bei
ihren Kindern übernachten können – mit Privatsphäre und Blick ins Grüne. Durch die Staf-
felung der Patientenzimmer und die unterschiedliche Neigung ihrer Dächer ist jedes ein-
zelne Zimmer erkennbar: Die Individualität jeder Patientin, jedes Patienten wird mit dem
kleinen Haus in einer elementaren, verständlichen und ablesbaren Form ausgedrückt. In
ihrer wohnlichen Ausstattung haben sie nichts mit üblichen Krankenzimmern gemein:
Möbel und Materialien sind nicht nur schön anzusehen, sondern fühlen sich auch gut an.
Der umsichtige Einsatz von Holz und punktuellen Kunstinstallationen sorgt zudem für eine
klare, einprägsame Orientierung. Entstanden ist ein ganzheitlich gedachtes, funktionales,
vielfältiges und ruhiges Gebäude – trotz seiner immensen Dimension.
080 • AIT 11.2024