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Kissenknicker? Stühlerücker?
                                            Es gibt viele Klischees, die Studierenden der Innenarchitektur
                                                                                                             3
                                            anhaften. Wir, der bdia bund deutscher innenarchitekten,
                                            halten dagegen und engagieren uns seit über 60 Jahren für
                                            das Berufsbild der Innenarchitekten als eigenständige, unver-
                                            wechselbare Disziplin. Und zwar nicht nur für eingetragene       Fragen an
                                            Innenarchitekten/-innen, sondern auch für unseren Nach -
                                            wuchs.  Ob mit fachkompetenter Beratung, einem umfang-           Pia Döll
                                            reichen Seminarprogramm zur fachlichen Weiterbildung oder
                                            durch die Auszeichnung besonderer Abschlussarbeiten –wir         bdia Hessen
                                            bieten Studierenden ein vielseitiges Angebot zum erfolgrei-
                                            chen Berufseinstieg. Informiere dich unter www.bdia.de!          Als bdia Vizepräsidentin und
                                                                                                             Vorstandsmitglied im ASAP*
                                                                                                             leiten Sie eine Fachgruppe, die
                           Selbstorganisation als Wert             Lehre bedeutet nicht, einen Eimer zu füllen,  Kriterien für das Studium In-
                           Über 300 Studierende der Fachrichtung Innenar-  sondern ein Feuer zu entfachen!   nenarchitektur mitgestaltet.
                           chitektur konnten wir nicht nur zu den Gründen  Interview mit Axel Müller-Schöll, Professor für  Warum sind klare Richtlinien
                           der Studienwahl, sondern vor allem zu ihrem Wis-  Innenarchitektur/Ausbaukonstruktion an der  so entscheidend?
                           sen über unseren Berufsstand, den bdia und die  Burg Giebichenstein/Kunsthochschule Halle  Der Grundstein für den späte-
                           Architektenkammern befragen. Unsere Erkennt-                                      ren Beruf muss bereits in der
                           nis? Unser Nachwuchs muss noch stärker für be-  Eine Hochschule trägt große Verantwortung  Ausbildung gelegt sein. Mit den
                           rufspolitische Themen sensibilisiert werden, denn  hinsichtlich der Ausbildungsqualität. Was soll-  „Fach lichen Standards für die
                           es geht um die Zukunft unseres Berufs.  ten junge Menschen, die Innenarchitektur stu-  Akkreditierung von Studien-
                                                                   dieren möchten, von einer Hochschule er war -  gängen“ werden grundlegende
                           An der Hochschule setzen junge Menschen na-  ten dürfen?                          Inhalte definiert. Wo „Innenar -
                           turgemäß andere Schwerpunkte und legen den  Junge Menschen sollten von einer Hochschule  chi tek tur studieren“ drauf-
                   Foto: Kinderclub Westend, Kandora + Meyer Architekten Innenarchitekten, Fotograf: Jan Lauer; Grafik: Sonnenstaub; Porträt Pia Döll: Sarah Kastner
                           Grundstein für ein erfolgreiches Berufsleben. Der  erwarten, dass sie dort keine Schule mit einem  steht, muss auch der spätere
                           Schritt ins Berufsleben ist ein bedeutender, jeder  statischen Lehrplan mehr  vorfinden, sondern  „Beruf Innenarchitekt“ drin
                           kennt das aus eigener Erfahrung. Hier gilt es,  einen individuellen Zugang zu einer differenzier-  sein.
                           sich zu behaupten und sich zu organisieren. Der  ten Bildung bekommen, der eine zielfokussierte
                           Berufsverband bdia bund deutscher innenarchi-  Weiterentwicklung eigener, angestrebter Kom-  Gibt es wesentliche Unter-
                           tekten kann dabei ganz unmittelbar helfen. Er  petenzen ermöglicht. Einen solchen Lernort zu  schiede zwischen den Studien-
                           kann beraten und Seminare anbieten und, und  orchestrieren, die richtigen Themen aufzuma-  gängen Innenarchitektur und
                           das ist vielleicht noch wichtiger: Er kann eine  chen, das notwendige Spannungsfeld aufzuzie-  Architektur?
                           starke Stimme für die Interessen, insbesondere  hen und dafür vernünftig bemessene Ört lich-  Der Fokus der Innenarchitekten
                           auch der jungen Berufsanfänger, sein. Das setzt  keiten zu schaffen – das bedeutet in der Tat eine  liegt immer auf dem Innen-
                           ein Engagement auf allen Seiten voraus. Sich  große Verantwortung. Sie tragen zu können er-  raum. Im späteren Beruf gibt
                           selbst zu organisieren ist auch für junge Men-  fordert Erfahrung, Mut, Toleranz und Weitblick  es dann viele Überschneidun-
                           schen nichts Neues, und der bdia kann hierfür  gleichermaßen. Im besten Fall entsteht somit ein  gen, Stichwort: Bauen im Be-
                           der richtige „Ort“ sein. Denn in dieser Selbstor-  facettenreiches Angebot, das die Studierenden  stand.
                           ganisation besteht ja der Wert eines Berufsver-  zum individuellen Gebrauch einlädt.
                           bandes und auch einer Kammermitgliedschaft.                                       Halten Sie die Trennung dieser
                           Ob  man  sich  für  eine  Kammermitgliedschaft  „Freiheit der Lehre“ und „Praxistauglichkeit“:  Disziplinen für zukunftsfähig?
                           entscheidet und sich dann auch Innenarchitek-  Ein Widerspruch?                   Wir sind alle Architekten in
                           tin oder Innenarchitekt nennen darf, ist natür-  Ein Arbeitsleben wird heute mit 40 Jahren be-  einer Kammer. Der Berufsstand
                           lich jedem selbst überlassen. Wir können dafür  messen, absehbar wird dies künftig noch länger  der Innenarchitekten ergänzt
                           Sorge tragen, dass diese Entscheidung bewusst  sein. Aber weder Lernende noch Lehrende wis-  sich in der Praxis idealerweise
                           getroffen wird. Wir können gemeinsam über die  sen, wie sich die Welt in den kommenden 50 Jah-  mit dem Berufsstand der
                           Vorteile eines eigenen Rentensystems und der  ren entwickeln  wird. Darüber lässt sich nur  Hoch bauarchitekten. Dann
                           rechtlichen Möglichkeiten aufklären, die sich aus  spekulieren. Wenn ich darüber nachdenke, wer  bleiben wir zukunftsfähig!
                           einer Kammermitgliedschaft ergeben.     von meinen Professoren für meine eigene
                                                                   „Praxistaug lichkeit“ wirklich wichtig  gewesen
                           Der Wert der Institutionen erschöpft sich aber  ist, so waren es vor allem diejenigen, die existen-
                           nicht in diesen unmittelbaren Vorteilen. Gemein-  zielle Fragen stellten; Ty pen, an denen man sich
                           sam eine Form zu haben, aus der heraus sich  mit eigenen Hypothesen reiben konnte. Sie er-
                           Dinge bewegen lassen, ist der Anspruch, den wir  mutigten uns mit ihrer Über zeu gung, dass „sich
                           vermitteln möchten. Viele andere Berufe haben  alles ändern muss, wenn es so bleiben soll, wie
                           keine vergleichbare Plattform. Attraktiv ist der  es ist“ (Lampedusa) und folgten Heraklits Credo,
                           bdia und auch die Kammer nur,  wenn auch  dass „Lehre nicht bedeutet, einen Eimer zu fül-
                           junge  Menschen  die  Erfahrung  machen,  dass  len, sondern ein Feuer zu entfachen“. Unter an-
                           Verbandsarbeit  lebendig  und durch  eigenen  derem zur  Vorbeugung  von – um im Bild zu
                           Input veränderbar ist. Mit der Aktion „Kannst du  bleiben –  Schwelbränden und  Wasserschäden
                           knicken!“ möchten wir genau das an den Hoch-  stattet die Gesellschaft Lehrende an einer Hoch-
                           schulen vermitteln.                     schule mit einer weitreichenden akademischen
                                                                   Freiheit aus. Wo davon mit Verstand und Leiden-
                           Autor: Constantin von Mirbach, bdia Bundesge-  schaft Gebrauch gemacht wird, dort ist um Pra-  ASAP*: Akkreditierungsverbund für Stu-
                           schäftsführer                           xistauglichkeit nicht zu fürchten!        diengänge der Architektur und Planung


                                                                                                                            AIT 11.2017  •  141
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