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SERIEN STUDENTENARBEIT • STUDENT WORK
Das Entwurfskonzept „Resonanz“ beschreibt einen temporären, mobilen Konzertpavillon
Hochschule Coburg für experimentelle und moderne klassische Musik, basierend auf der Auseinander -
setzung mit Kompositionen des Pianisten Hauschka. Neben dem außergewöhnlichen
www.hs-coburg.de Klangspektrum sind die Improvisation und Neukonstellation des Klangmaterials die
1814 Schule für „bürgerliche Baukunst“ seit 2007 Hochschule Coburg größte vermittelbare Aktion für den Konzertbesucher. Sitzt dieser weit ab des Gesche-
5.179 Studierende in 6 Fakultäten hens, so bleibt ihm die Performance vorenthalten. Eine Konzertsituation sollte demnach
mit geeigneten Mitteln den Prozess verstärkt zeigen. Konzerte von Hauschka wie auch
andere Darbietungen klassischer und zeitgenössischer Art fordern darüber hinaus Ruhe
und Konzentration, um sich auf fragile Elemente der Musik einzulassen und alle Klänge
in ihrer Feinheit wahrzunehmen. Verschiedene Kultur- und Musikfestivals sind Zentren
neuer Musik und daher eine optimale Bühne, um Konzerte verknüpft mit temporären
Räumen stattfinden zu lassen. Der Pavillon ist künstlerspezifisch und eine Einheit für
sich. Er ist flexibel einsetzbar, um ihn mehrere Wochen auf einem Ver anstaltungsgelände,
an einem belebten Platz oder in einer Fußgängerzone im Rahmen eines Stadtfests
aufzustellen. Für den mobilen und temporären Einsatz gewährleistet die Entwicklung
einer Leichtbaukonstruktion einen einfachen Auf- und Abbau.
Die Grundlagen des Konzepts
Aus der intensiven Analyse der Musik und einer Auseinandersetzung mit Raum und
Klang ergeben sich drei Ziele, die die Grundlage des Konzepts bilden: Eine Nähe des
Zuschauers zum Musiker soll spannende Einblicke in den Konzertflügel ermöglichen. Um
die Musik mehrdimensional wahrzunehmen, soll sie räumlich erlebbar werden.
Herausragend im Musikgenre ist die innovative Kraft von Experiment und Improvisation:
Hierfür sollen Raumelemente veränderbar und beweglich sein, um mit der Musik zu
interagieren. Einblicke in den Flügel ermöglicht eine dem Amphitheater ähnliche
Gliederung der Sitzplätze für bis zu 70 Personen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen
Konzertsituationen wird die Distanz zwischen Künstler und Publikum abgebaut: Man
kann dem Musiker über die Schulter blicken und mit ihm auf Augenhöhe sein. Die
Die Lichtstäbe durchdringen die Pavillondecke und ... • The rods of light penetrate the pavilion ceiling, thus ...
Reihung der Sitzplätze richtet sich außerdem nach der Schallausbreitung des halb
geöffneten Flügels sowie einer akustisch geeigneten Asymmetrie des Raumes. Für eine
optimale Raumakustik werden unter Beachtung der Nachhallzeit geeignete Materialien
für den Ausbau gewählt und Maßnahmen zum baulichen Schallschutz getroffen. Die
Kubatur des Pavillons zeichnet unmaskiert diese innere Funktion nach, sodass der
Pavillon von außen skulptural und mächtig wirkt, im Inneren das Erlebnis birgt – ähnlich
wie der präparierte Konzertflügel selbst. Das gebaute Amphitheater bildet die statische
Hülle für das Konzerterlebnis. Innerhalb dieses Grundmoduls erlebt der Besucher Musik
anschaulich und dreidimensional.
Verknüpfung von Raum und Klang
Eine Interpretation des facettenreichen Klangspektrums in Bewegungsmuster führt zu
einer raumgreifenden, kinetischen Rauminstallation. Diese umgibt den Besucher wie ein
Kosmos: Kuppelartig ordnen sich viele einzelne Elemente, die leuchtenden
Acrylglasstäbe, an der Decke an. Sie lassen sich in Bewegung versetzen und können
somit wie Gräser im Wind verschiedene, an den Klang angelehnte Muster erzeugen.
Analog der Schallausbreitung durchdringen die Stäbe die Grenzen des Raumes und wer-
den auch im Außenraum zu einem faszinierenden Klangspiel. Raum und Klang sind bei
einer Liveperformance miteinander verknüpft, da sich die Rauminstallation unmittelbar
... werben so im Außenraum für ein besonderes Musikerlebnis. • ... advertise a special musical experience.
ansteuern lässt. Dazu liegt ein Prinzip vor, bei dem Programmabläufe für bestimmte
Bewegungen der Stäbe entwickelt werden, die dann individuell zur Musik abgespielt
werden können. Ermöglicht wird dies durch im Piano platzierbare Sensoren, hardware-
basierte Steuermodule und einzelne Servomotoren an den Acrylglasstäben. Welche
Bewegungsmuster wann abgespielt werden, kann der Musiker vor Beginn eines jeden
Musikstücks neu entscheiden, indem er die entsprechenden Sensoren auf den Saiten im
Piano positioniert. Zeitgleich zum Instrumentalspiel werden die Signale der Sensoren
übermittelt und als Bewegungsmuster an der Decke optisch wiedergegeben. Im Gesamt -
bild der schwingenden Stäbe entsteht nun beispielsweise ein „Pulsieren“. Ebenso kön-
nen ein „Rascheln“, „Rauschen“ oder „Klimpern“ sowie weitere Bewegungsabläufe der
Stäbe programmiert und beliebig kombiniert werden. Der Pianist bespielt somit neben
seinem Instrument auch den Raum, um Rhythmen oder Sounds zu vermitteln, wodurch
der Luftraum selbst zum spielbaren (Raum-) Instrument wird. Den Musikbegriff aus-
dehnen, ein Experiment wagen – dieser ursprünglich musikalischen Intention folgt auch
der Entwurf des Pavillons. Dialoge mit dem Künstler Hauschka und das Miterleben eines
Konzerts waren maßgeblich für die Konzeption.
054 • AIT 11.2016