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Power, Flows, and Transformation


                                       Wenn von der Energiewende die Rede ist, bedienen sich die   umgibt und die letztlich auch Teil unserer gebauten Umwelt ist,
                                       Medien gerne der Bilder vereinzelter Windräder auf dem Feld   nicht zu sehen, ist ebenfalls eine Leistung! Das Offensichtliche
                                       oder von Solaranlagen auf dem Balkon. Die damit transpor-  sichtbar zu machen, ist nun der große Verdienst des vorlie-
                                       tierten, teils romantischen Vorstellungen sind allerdings trüge-  genden Bandes „Power, Flows, and Transformation“, der eine
                                       risch. Denn der Aufwand, den wir als Industrienation betreiben   umfassende Darstellung der deutschen Energielandschaft lie-
                                       müssen, um unseren Energiebedarf zu decken, ist immens. Als   fert – exemplarisch aufbereitet am Beispiel der Metropolregion
                                       VerbraucherInnen bekommen wir diese Anstrengungen jedoch   Berlin-Brandenburg. Recherchiert und verfasst wurde die Publi-
                                       kaum mit – einerseits, weil die Strom- und Gasleitungen zu und   kation an der Habitat Unit der TU Berlin, federführend betreut
                                       in unseren Häusern und Wohnungen zumeist unterirdisch bezie-  durch den Urbanistik-Professor Philipp Misselwitz und seinen
                                       hungsweise hinter der Wand verlaufen, andererseits aber auch,   Forschungsassistenten David Bauer. Sie übersetzen die ganze
                                       weil wir nicht genau hinschauen wollen. Dabei sind die Spu-  Komplexität des Themas in anschauliche und oft mit großem
                                       ren, die die Produktion und der Transport von Energie seit der   Schauwert gestaltete Diagramme und Grafiken. Dabei ist ihr
                                       industriellen Revolution in unserer Umwelt hinterlassen haben,   Blick auf die Energielandschaft nie nur ein technischer, sondern
                                       beträchtlich: Ganze Landstriche haben wir der Förderung von   immer auch ein entschieden architektonischer und urbanis-
                                       Braunkohle geopfert; unser Land wird von Stromtrassen, Gas-   tischer. Denn sowohl die Entstehung als auch die zukünftige
                                       und Ölpipelines durchzogen, und nach wie vor beliefern knapp   Transformation der bestehenden deutschen Energielandschaft
                                       180  konventionelle  Kohle-  und  Gaskraftwerke  das  deutsche   sind, wie der Band klar verdeutlicht, (auch) eine raum-, stadt-
                                       Netz. Diese gigantische Infrastruktur, die uns quasi überall  und architekturplanerische Aufgabe.                  Dr. Uwe Bresan

                                       Power, Flows, and Transformation. Portraits of Berlin-Brandenburg Energy Spaces
                                       Herausgegeben von David Bauer, Santiago Martìnez Murillo, Philipp Misselwitz, Yuliya Navatskaya, Joseph Smithard.
                                       Erschienen 2025 im JOVIS Verlag, Berlin.
                                       Englisch. 352 Seiten. Softcover. Format: 16 × 24 cm. 42,00 EUR.
                                       ISBN 978-3-98612-020-7




                                       Cottbus | Chósebuz

                                       Waren Sie schon mal in Cottbus? Oder besser gesagt in Chósebuz,   stammt aus dem Jahr 2004. Damit ist der Handlungsrahmen
                                       wie es auf Sorbisch heißt? Nein? Dann sollten Sie die zweitgrößte   des vorliegenden Bandes über Cottbus/Chósebuz auch schon
                                       Stadt Brandenburgs unbedingt in Ihre Agenda aufnehmen. Denn   grob umrissen. Die Herausgeber – Heinz Nagler, ehemaliger Pro-
                                       Cottbus, das knapp 130 Kilometer südöstlich von Berlin malerisch   fessor für Städtebau an der BTU, sowie seine Assistenten Heiner
                                       an der Spree liegt, ist ein echter Geheimtipp. Vielleicht ist es kein   Stengel und Kristina Möhring – haben zusammen mit einem
                                       Juwel, aber doch ein reizvoller Rohdiamant! Ein bisschen Spätmit-  Team aus Historikern, Soziologen, Archäologen, Kulturwissen-
                                       telalter hat sich erhalten, drumherum gibt es sehr viel wunderbare   schaftlern und natürlich Architekten und Stadtplanern ganze
                                       Gründerzeitarchitektur mit dem Staatstheater des Berliner Jugend-  Arbeit geleistet und ein prächtiges Kompendium zur Stadtent-
                                       stilarchitekten Bernhard Sehring als Höhepunkt. Hinzu kommen   wicklung und Architektur von Cottbus zusammengestellt, das
                                       Industrie- und Siedlungsbauten der Neuen Sachlichkeit sowie   keine Wünsche offenlässt. Prägnante Texte, die eher zu kurz
                                       ganz viel Ostmoderne samt Stadthalle, Prachtstraße im Stadtzen-  als zu lang sind, viele hochwertige Architekturfotografien und
                                       trum, Plattenbauten und einem weitläufigen Hochschulcampus   speziell für den Band angefertigte, detaillierte Planzeichnungen
                                       am Rand. Seit den 1950er-Jahren werden hier vorwiegend die   machen die Lektüre zu einem kurzweiligen und informativen
                                       Fächer Architektur und Bauingenieurwesen unterrichtet. Der   Vergnügen – was man leider nicht allzu oft über vergleichba-
                                       mächtige Bibliotheksbau mit seinem amöbenförmigen Grundriss   re Stadtmonografien sagen kann. Der feuerrote Einband sollte
                                       und den bedruckten Glasfassaden, der den Campus der heutigen   unbedingt als Warnhinweis gelesen werden: Nach der Lektü-
                                       Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) weithin über   re werden Sie sofort Lust auf einen Abstecher nach Cottbus
                                       ragt, ist ein Werk der Basler Architekten Herzog & de Meuron und   bekommen.                                                     Dr. Uwe Bresan

                                       Cottbus | Chósebuz. Stadtplanung und Baukultur
                                       Herausgegeben von Heinz Nagler, Heiner Stengel, Kristina Möhring.
                                       Erschienen 2025 bei Mitte/Rand, Berlin.
                                       Deutsch. 304 Seiten. Hardcover. Format: 20 × 28 cm. 45,00 EUR.
                                       ISBN 978-3-9824252-6-9

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