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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
GREENPEACE HEADQUARTER
IN SÃO PAULO
Entwurf • Design guaja.cc + facury, BR-Belo Horizonte
Das Edifício Copan ist und bleibt – so Dubai will – das größte Wohn-
gebäude der Welt. Im Zentrum von São Paulo ragt Oscar Niemeyers
32-geschossiges Wahrzeichen scheinbar endlos in den Himmel. Senkt
man den Blick, offenbart sich im offen erschlossenen zweiten Ober-
geschoss der neue Hauptsitz von Greenpeace Brasilien – getreu den
Werten der Organisation in betonter Schlichtheit und Transparenz.
von • by Stephan Faulhaber
S echs geschwungen aneinandergereihte Wohnblöcke prägen die markante Form
des Edifício Copan, das 1966 fertiggestellt wurde und dessen 116.000 Quadratmeter
Wohnfläche auch Jahrzehnte später eine gültige Antwort auf die Wohnraumknappheit
sind. Greenpeace Brasilien hat sich entschieden, von einem wohlhabenden Stadtviertel in
dieses ehrwürdige Gebäude umzuziehen. Ein Umzug, der mehr als nur eine Standortverla-
gerung darstellt – er ist eine bewusste Hinwendung zu dem Ballungskern der Stadt, der in
den 1960er-Jahren durch rasantes Wachstum und soziale Umbrüche geprägt wurde. Diese
Wahl betont das Engagement der Organisation für die Wiederbelebung der Innenstadt
von São Paulo, für Umweltgerechtigkeit und nachhaltigen Städtebau. Im zweiten Ober-
geschoss, wo eine öffentlich zugängliche Erschließungsebene den Gehweg erweitert, hat
Greenpeace sein neues Hauptquartier bezogen. Hinter den runden Betonstützen eröffnet
die großflächige Verglasung transparente Einblicke in die Innenräume und stärkt so die
urbane Präsenz der Organisation. Die Innenarchitektur von Lucas Durães und João Pedro
orientiert sich nicht an einem Vorbild Niemeyers und erscheint auf den ersten Blick wenig
spektakulär. Vielmehr folgt sie der Idee der Reduktion, den die beiden als „leise Archi-
tektur“ bezeichnen. Hier wird bewusst auf Überflüssiges verzichtet, was sich in der Ver-
wendung von Sperrholz, rohen Oberflächen und freiliegenden Installationen äußert. Eine
Philosophie des freiwilligen Verzichts, die sich bereits beim Betreten der Räume an promi-
nenter Stelle zeigt: Der Empfangstresen aus Sperrholz könnte ebenso in einem Skateshop
stehen – oder für São Paulo noch treffender in einem Surfboardverleih. Das Möbel schenkt
dem Raum eine sympathische, unprätentiöse Note. Die Raumaufteilung ermöglicht dank
Schiebewänden und modularen Elementen eine adaptive Nutzung – vom Empfang über
Büro- und Mehrzweckräume bis hin zum „Warehouse“, einem kreativen Raum für Work-
shops und die Ausarbeitung von Kommunikationsstrategien. Hier und da beleben ein
bunter Vorhang, ein markanter Teppich oder eine farblich akzentuierte Wand (reversibel)
den Innenraum. Eine Prise Niemeyer, ein Hauch Skateshop und ganz viel Greenpeace ...
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