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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
SÄGEWERK-HAUPTSITZ
IN BRUMOV-BYLNICE
Entwurf • Design Mjölk architekti, CZ-Liberec
Infolge der sich wandelnden klimatischen Bedingungen und des russi-
schen Angriffskrieges erfährt die Holzindustrie derzeit starke Verände-
rungen. Diese drücken sich in der besorgniserregenden Zunahme an
Waldbränden, dem Waldsterben generell wie auch den erheblichen
Holzpreisschwankungen aus. Dass der „Holzweg“ nichtsdestominder
ein Weg mit Zukunft ist, beweisen Mjölk architekti aus Liberec.
von • by Stephan Faulhaber
J an March und Jan Vondrák lernten sich während ihres Architekturstudiums an der
Technischen Universität Liberec kennen. Nach ihrem Abschluss im Jahr 2008 grün-
deten sie ihr eigenes Büro. Und anders als viele ihrer ehemaligen Kommilitonen, die es
in etablierte Architekturbüros im Ausland zog, entschieden die beiden, ihren Standort
beizubehalten und Verbesserungen im eigenen Land zu forcieren. Jüngst ist unweit der
slowakischen Grenze der neue Hauptsitz eines Sägewerks fertiggestellt worden und belegt
eindrucksvoll das Gelingen ihres Bestrebens. Mjölk architekti haben hier ein langgestreck-
tes, dreigeschossiges Bürogebäude entworfen, dessen modulare Konstruktion erweiterbar
und dessen Innenraum frei gestaltbar und anpassungsfähig ist. Einem Kehlbalkenbinder
ähnelnde Tragwerkselemente wecken Assoziationen zum Hallenbau und sind – bei aller
Rationalität ihrer Ausführung – ästhetisch genug, um nicht als reine Zweckobjekte ver-
standen zu werden. Sie gliedern den Bau rhythmisch, und ihr Dachüberstand mit der auf
Traufhöhe auskragenden Geschossdecke definiert unter sich zwei Terrassen mit Kolonna-
dencharakter. Anstelle von Säulen werden diese von der Fassade im Erdgeschoss und je
einem parallel verlaufenden Regenwasserspeicher (der zur Verbesserung des Mikroklimas
beiträgt) flankiert. Die Überdachung ist Richtung Norden vollständig verglast und besitzt
nach Süden eine Photovoltaikanlage, die genug Strom produziert, um den Eigenbedarf zu
decken. Im Inneren heben sich der geschliffene Zementestrich, das Sichtbeton-Treppen-
haus und die rot oder schwarz lackierte Technik kontrastvoll hervor. Die Wahl des übrigen
dominierenden Materials scheint im Falle des Sägewerks und mit Blick auf den ganz-
heitlich und nachhaltig gedachten Entwurf selbstverständlich: Holz! Zumal die Ursprünge
des Begriffs Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft liegen. „Schlage nur so viel Holz, wie
der Wald verkraften kann!“ Das Unternehmen befolgt diesen Lehrsatz, den der „Vater
der Nachhaltigkeit“ Hans Carl von Carlowitz Anfang des 18. Jahrhunderts verfasste. Mit
Lärchen-, Fichten- und Kiefernholz aus den umliegenden Wäldern und der Herstellung in
der 100 Meter entfernten Produktionshalle entfiel außerdem der Transportweg.
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