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Alexander Magyar
1964 in Baden geboren 1980–1983 Ausbildung zum Tischler seit 1998 Peckal
Leuchten, P2, Molto Luce, Artemide, Einwaller Ateliers ... 2012 Lichtakademie
Bartenbach 2013 Bürogründung, Illuminator Lichtgestaltung, Wien
Das buchstäbliche Highlight: Das lineare Lichtsystem entlang der Decke führt durch die Gänge und das Treppenhaus. • The linear lighting system along the ceiling guides visitors through the corridors and the staircase.
mit Musterwohnungen diente, befindet sich der ehemalige Fabriktrakt, mit Depot und Gebäude durchquert. Die Präsenz des Lichts lässt den rohen Altbau nicht weniger wesent-
Werkstätten. Eben dieser Werkstattteil in der Barichgasse sollte nun vorsichtig von seinen lich erscheinen – eigenständig und doch harmonisch. Neben dem Bewegungsfluss erzeugt
nachträglichen Veränderungen im vergangenen Jahrhundert befreit werden, um zu seiner die lineare Leuchtensprache ein kontinuierliches diffuses Licht, das in seiner Farbigkeit
ursprünglichen Ausstrahlung zurückzufinden. Durch die umfassende Renovierung der und Intensität für eine behagliche Stimmung sorgt. Gemeinsam mit der Bjarke Ingels
A.C.C. Architekten sollten geräumige Flächen für insgesamt 18 Büros mit Größen zwischen Group entwickelte Artemide dieses flexible Lichtsystem namens Alphabet of light – seine
95 und 338 Quadratmetern generiert werden; Büros, deren hochwertige Ausstattung und interdisziplinäre Herkunft macht sich bei der Montage bemerkbar: Man benötigt wenige
Flexibilität der zukünftigen Mieterstruktur gerecht werden. Nach der Vorstellung des Bau- Einspeisepunkte, und die Verbinder sind magnetisch. Der Traum eines jeden Lichtplaners!
vorhabens, das bereits in vollem Gange war, gab ich mein Angebot ab und wurde
schließlich für die Lichtplanung beauftragt. Ich hatte bereits eine Idee ... Sonderanfertigungen für den Industrie- und Fabrikcharakter
Die Lichtlinie – Mitspieler statt Konkurrent Ergänzend wurden für die Wände des Treppenhauses, passend zum Fabrikcharakter, runde
Sonderleuchten in verschiedenen Durchmessern gefertigt. In den Bürolofts angekommen,
Als ich in das Projekt einstieg, lag bereits ein Lichtkonzept vom Elektroplaner vor. Dieses findet man ein offenes Raum-in-Raum-Konzept vor. Da zum damaligen Zeitpunkt noch kein
konkurrierte meiner Ansicht nach allerdings zu stark mit der historischen Konstruktion, Mieter bekannt war, erarbeitete ich ein flexibles Lichtkonzept: Bei der Arbeitsplatzbeleuch-
und so suchte ich nach einer stimmigeren Alternative. Mein Lichtkonzept sollte zum Mit- tung entschied ich mich für das System INK der Firma Linea Light. Es funktioniert ähnlich
spieler werden, denn auch das Farb- und Materialkonzept der Architekten orientierte sich wie die Seilsysteme, die man früher verwendete, und wird von Wand zu Wand gespannt,
an der gegebenen „Fabrikarchitektur“, weshalb der Projektname auch „Fabricatur“ lautet. woraus sich eine enorme Flexibilität ergibt. Der LED-CRI-Wert (beschreibt die Farbwieder-
Als besonders spannend empfand ich den Dialog zwischen den Materialien Beton und gabe der künstlichen Beleuchtung) der Bürobeleuchtung betrug standardmäßig 80 Ra –
Ziegel, der durch das Freilegen und die altbaugerechte Bearbeitung der Oberflächen be- durch einige Telefonate mit dem Export Manager von Linea Light konnte ich aushandeln,
feuert wurde. Meine Absichtserklärung lautete, das Gebäude weiterhin für sich selbst spre- den Wert auf annähernd 100 Ra (die Farbwiedergabe der künstlichen Beleuchtung würde
chen zu lassen und einen Anreiz zu schaffen, das Bauwerk in seiner Gesamtheit zu erkun- dem Sonnenlicht gleichen) zu erhöhen. Letztlich erreichten wir 93 Ra, was zum damaligen
den, angefangen im Eingangsbereich: Das buchstäbliche Highlight ist mehr als nur ein Auf- Stand der Linsentechnik ein großer Erfolg war. Die Arbeitsplatzbeleuchtung beträgt 500 Lux.
takt – dynamisch zieht sich das geschwungene optoelektronische Lichtsystem, an der Für die indirekte Ausleuchtung mit LED-Strips sah ich 2700 Kelvin vor und für die Beleuch-
Decke entlang, durch alle Gänge und das gesamte Treppenhaus und macht dabei vor kei- tung am Tisch 3000 Kelvin – getrennt schaltbar, lassen sich diverse Raumstimmungen er-
nem Hindernis halt. So werden die Ankömmlinge von Raum zu Raum geleitet. Mal um- zeugen. Um Blendpunkte auf den Bildschirmen zu vermeiden, integrierten wir Folien in den
schlängelt die Lichtlinie geschmeidig den Mauersturz, mal durchdringt sie ihn. Hierfür ver- Leuchten. In ein laufendes Projekt dieser Größe einzusteigen, war völlig neu für mich und
anlasste ich kleine Mauerdurchbrüche, damit das Band tatsächlich als eine Einheit das erwies sich als herausfordernd – eine spannende Erfahrung mit stimmigem Ergebnis.
AIT 10.2021 • 137