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Entwurf • Design Jarcke Architekten, Mannheim
                                                                              Bauherr • Client Matthias Jarcke, Mannheim
                                                                              Standort • Location Glücksteinallee 41, 68163 Mannheim
                                                                              Nutzfläche • Floor space 2.156 m 2
                                                                              Fotos • Photos Daniel Vieser Architekturfotografie, Karlsruhe
                                                                              Mehr Infos auf Seite • More infos on page 182






































                Fenster und Tore erhielten eine zweite Verglasungsebene. • Windows and gates with a second glazing level.  Workbenches werden durch geschickte Möblierung separiert. • Workbenches are separated with furniture.


                von • by Henriette Sofia Steuer
                S   üdlich des Mannheimer Hauptbahnhofs entwickelt sich seit 2009 auf einem  Relikt aus alten Tagen sind die Durchfahrtsgleise sowie die Grube, von der aus War-
                    33 Hektar großen Industrie-Areal ein neues, nutzungsdurchmischtes Wohnge-
                                                                              tungsarbeiten an den Loks durchgeführt werden konnten. Für die Aufteilung in zwei
                biet. Dort, wo einst die Deutsche Bahn AG betriebsnotwendige Flächen besaß, ent-  eigenständige Gewerbeeinheiten erhielt der Lokschuppen einen quer durch das Ge-
                steht heute — laut der Stadt Mannheim — Raum für etwa 1.500 Bewohner und 4.600  bäude verlaufenden Erschließungskorridor mit barrierefreien Bürozugängen.
                Arbeitsplätze. Historisches Herzstück des nach dem Pfälzer Mundartdichter Hanns
                Glückstein benannten Quartiers ist der denkmalgeschützte Lokschuppen samt be-  Freiraum für kreative Arbeitsprozesse
                nachbartem Werkstattgebäude von 1870. Inhaber der 52 Meter langen und 20 Meter
                breiten Lokhalle aus rotem Sandstein ist seit 2014 eine Eigentümergemeinschaft, zu  Im Zuge der Innenausbau-Planung entwickelten Jarcke Architekten für ihr eigenes
                der auch Architekt Matthias Jarcke gehört. Um dem jahrelang brachliegenden Ge-  Büro ein Konzept, das den offenen Hallencharakter erhält. Zu diesem Zweck wurde
                bäude-Ensemble neues Leben einzuhauchen, erarbeiteten Eigentümer und Investo-  eine zweite Ebene eingezogen, die weder die Außenwand noch eine der Holzstützen
                ren ein kombiniertes Nutzungskonzept mit Gewerbefläche, Gastronomie und Tiefga-  berührt und im Zentrum ein eindrucksvolles Atrium entstehen lässt. Die Durchlässig-
                rage. Jarcke Architekten nahmen sich in der darauf folgenden Umsetzungsphase die  keit der Struktur sorgt dabei für ein lichtdurchflutetes Raumgefüge und gibt Nutzern
                Sanierung des Lokschuppens vor, der aktuell nicht nur das firmeneigene Atelier, son-  wie Besuchern die Möglichkeit, die tatsächlichen Gebäude-Dimensionen wahrzuneh-
                dern auch das Büro des Getreidehändlers P. Krück Organic beherbergt.   men. Mittelpunkt der Bürolandschaft ist ein großer, im Atrium befindlicher Konferenz-
                                                                              tisch, der in einer Linie mit dem mittleren Durchfahrtstor und dem neuen Bürozugang
                Ein Schuppen wird aus dem Dornröschenschlaf geweckt           steht. Betont wird diese repräsentative Sichtachse außerdem durch eine Holzeinlage
                                                                              im Boden, die an das ehemalige Gleisbett erinnert. Um den Tisch herum ordnen sich
                Im Rahmen einer zweijährigen Bauzeit wurden zunächst verbaute Fensteröffnungen  im Erdgeschoss wie im Obergeschoss Workbench-Bereiche an, die durch verschie-
                freigelegt und ein jüngerer Flachdachanbau entfernt. Unter dem Credo „Gebrauchs-  dene Mittelzonen-Bespielungen wie Besprechungskojen, WC-, Technik-, Archiv- und
                spuren schützen, statt beseitigen“, folgten die Reinigung und die Konservierung des  Modellbau-Bereiche voneinander abgegrenzt werden und der Arbeitslandschaft visu-
                Sandstein-Mauerwerks und der Holzbalken-Konstruktion. Für thermischen Komfort  ell Abwechslung und Struktur geben. In der finalen Ausgestaltung bleiben Jarcke Ar-
                sorgen eine Wärmedämmung des Daches mit Steinwolle und eine Perlite-Dämmschüt-  chitekten mit Oberflächen in Grau und Weiß klar und unaufgeregt und führen damit
                tung für die Bodenplatte. Außerdem wurde das durchgängige Oberlicht ausgetauscht.  den Blick des Betrachters immer wieder auf den Bestand zurück. Geradlinigkeit,
                Die großformatigen Sprossenfenster blieben erhalten und konnten auf der Gebäude-  Funktionalität und eine reduzierte Materialwahl stützen das industrielle Flair des
                innenseite mit einer zusätzlichen Festverglasung ertüchtigt werden, die mit ihrem zu-  Schuppens mit Nachdruck und lassen Freiraum für kreative Arbeitsprozesse, Kommu-
                rückhaltendschlichten Design die historischen Fenster einrahmt und unmittelbar  nikation und Konzentration. Mit der Fertigstellung des eigenen Büros haben Jarcke
                neben Bahngleisen und Bundesstraße nicht nur für thermischen, sondern genauso für  Architekten ihren Platz im neuen Quartier erfolgreich für sich erobert. 2021 soll
                akustischen Schutz sorgt. Auch die insgesamt sechs Durchfahrtstore konnten erfolg-  schließlich das gesamte Areal und damit auch das zum Ensemble gehörende Werk-
                reich saniert und mit innen liegenden Fensterfronten versehen werden. Ebenfalls ein  stattgebäude mit Gastronomienutzung zu einem glücklichen Abschluss kommen.


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