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There is a Crack in Everything
von • by Felix J. Hermann Stumpf, Berlin
www.felixstumpf.de
Die von dem in Berlin lebenden Künstler Felix J. Hermann Stumpf
speziell für die Stuttgarter Galerie AK2 entwickelte Arbeit besteht
aus großformatigen Cyano ty pien. Weiße Linien und Flächen formen
sich zu raumartigen Struk turen und bil den mit ihrer geometri sie -
renden Präzision einen auffälligen Kon trast zu dem fast malerisch
wirkenden blauen Hinter grund. Dank ihrer technisch-konstruktiven
An mu tung lassen die Blätter an Archi tek turzeichnungen denken –
unter stützt durch das Verfahren selbst: Denn bis in die dreißiger
Jahre des letzten Jahr hunderts hinein wurde die auch als Blau- oder
Eisenblaudruck bekannte Technik zur Repro duk tion von Bauplä -
nen genutzt. Ein genauerer Blick auf die Grafiken lässt modulare
Strukturen erkennen. Tatsächlich dienten Stumpf Ornamente aus
dem Innen- und Außenbereich von Gebäuden der sozialistischen
Moderne in Ost-Berlin als Grundlage. Die strenge Ordnung der
ursprünglichen Raster löst sich jedoch zugunsten freier, poetischer
Strukturen auf. Und bei näherem Hinsehen entziehen sich die
„Raummodelle“ auch den festgelegten Gesetzmäßigkeiten der Ar -
chi tek tur. Der von Stumpf gewählte Titel lautet: „There is a Crack in
Everything“. Ganz offensichtlich ist der Text auf die Brüche bezo-
gen, die die Arbeit kennzeichnen. Doch wird damit nur die halbe
Wahrheit gesagt. Wer den Song „Anthem“ von Leonard Cohen aus
dem Jahr 1992 kennt, weiß, wie es dort weiter heißt: „That’s how
the Light gets in.“ Offenbar geht es dem Künstler also gar nicht so
sehr um die Brüche selbst. Vielmehr scheint ihn das Licht zu inter-
essieren, das durch sie hindurch wahrnehmbar wird. Auf physi ka -
lischer Ebene macht es die Technik der Cyanotypien erst möglich.
Im übertragenen Sinne werden Schwellenräume geöffnet, in denen
Utopien Realität werden können. Winfried Stürzl